Namen, Verwechslungen und ORCID – Wie erreiche ich Eindeutigkeit in der Wissenschaft?

Namen identifizieren Personen. Im Alltag klappt das meistens sehr gut. Wir wissen aus dem Kontext und den Personenbeziehungen, von welchem Michael man genau spricht. Besteht ein solcher Zusammenhang jedoch nicht, wird es teilweise schwierig zu erkennen, wer genau eigentlich gemeint ist. Sprechen wir von der gleichen Person oder gibt es mehrere Personen mit dem gleichen Namen?

Nicht nur Alexander Schmidt, Sarah Müller und Martin Maier fragen sich dies. Auch eine Änderung des Namens oder die Latinisierung eines ausländischen Namens kann dazu führen, dass sich mehrere Namen eine einzigen Person zuordnen lassen. Beispielsweise lassen sich die georgischen Nachnahmensendungen „შვილი“ mit lateinischen Buchstaben etwa in -schwili, -shwili, -schvili und wahlweise -shvili übertragen. Im deutschen Sprachraum ist die erste Variante gebräuchlich, im Englisch die Letztere. Trotz unterschiedlicher Schreibweise kann die gleiche Person gemeint sein. Umlaute und ,ß‘ wäre weitere Beispiele für eine Veränderung der Schreibweise, die einen Namen unfreiwillig abwandeln können. So wird schnell aus Müller ein Mueller oder sogar Muller. Datenbanken können dabei häufig nicht erkennen, ob sich eine oder mehrere Personen dahinter verbergen.

Aber wieso ist dieses Problem überhaupt gravierend? Eine der zentralen Schwierigkeiten bei Datenbanken zu Personen, Literatur, Objekten und Institutionen ist die Eindeutigkeit bzw. Entität von Daten. Daher wird stets versucht etwa Doubletten zu vermeiden. Dabei behilft man sich mit sogenannten Wortnetzen bzw. Thesauren, um ein bestimmtes Objekt eindeutig zu benennen. Der „Art & Architecture Thesaurus® Online“ (kurz AAT)  des Getty Research Institute oder die Gemeinsame Normdatei für Personen (kurz GND) der Deutschen Nationalbibliothek sind etwa zwei zentrale kontrollierte Vokabulare, die in den Geisteswissenschaften häufig zur Anwendung kommen.
Besonders für Institutionen wie etwa die Max-Planck-Gesellschaft, ist es aus mehreren Gründen wichtig, dass die vielen verschiedenen Forschungspublikationen ihrer Mitarbeiter/-innen auch der eigenen Organisation zugeordnet werden können. Denn in der MPG arbeiten auch Wissenschaftler/innen, die etwa ebenso an Hochschulen lehren und forschen. Mehrere berufliche Anbindungen oder gar einen Arbeitsplatzwechsel können somit dazu führen, dass sich hinter mehreren Datenbankeinträgen eine einzige Person verbirgt. Daher benutzt die Max-Planck-Digital-Library für das MPG-eigene Repository „MPG.PuRe“ mit CoNE einen eignen Service für ein kontrolliertes Vokabular. Aus institutioneller Perspektive wie Bibliotheken, Archiven und Museen ist dies eine etablierte Möglichkeit die Entität vieler Daten zu erreichen.

Seit einigen Jahren existiert aber noch ein weiterer bzw. ergänzender Weg. So bieten verschiedene große Wissenschaftsverlage sogenannte Autorenidentifikationsnummer an, um über einen standardisierten Identifikator dem Autoren genau eine Entität zuschreiben zu können. Spätestens mit dem Aufkommen von sozialen Medien und der digitalen Vernetzung im akademischen Bereich – wie etwa Academia.edu und ResearchGate – war es wohl naheliegend, die Pflege des Autorenidentifikationsnummer und das Ergänzen von weiteren Informationen dem Autor selbst teilweise zu überlassen. Bei dieser neuen Möglichkeit dominieren bisher aber vor allem kommerzielle Anbieter, was Schwierigkeiten aufwerfen kann; es sei an dieser Stelle nur an die Hintergründe des DEAL-Projekts erinnert. 

ORCID®

Seit 2012 gibt mit der sogenannten „Open Researcher and Contributor ID“ (kurz ORCID) ein Code, der von einer Non-Profi-Organisation getragen wird. Große internationale Forschungsinstitution, viele Universitäten und etliche Wissenschaftsverlage haben sich darin zusammengefunden und einen numerischen Code zur eindeutigen Identifizierung von Wissenschaftlern entwickelt. Diese sechzehnstellige Zahl soll dabei zu einem Quasi-Standard für die Autorenidentifikation ausgebaut werden. In der Bundesrepublik sind etwa die Deutsche Nationalbibliothek, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Georg-August-Universität Göttingen und die TU München Mitglieder von ORCID.

Durch diesen wissenschaftlichen Standard und die vielen, internationalen Institutionen, welche dahinter stehen, kann die ORCID vermutlich in der Zukunft für wissenschaftliche Publikationen zu einem wesentlichen Metadatenelement werden. So routiniert wie die Emailadressen wird dann vielleicht auch die sechszehnstellige, eigene ORCID mit angegeben. Über Schnittstellen könnte dann beispielsweise ein Plugin die Autorenbibliographie auf einer Universitätsseite oder einer eigenen Homepage automatisch generieren, aktualisieren und mit weiteren Verknüpfungen versorgen. Ebenso könnten Forschungsdaten und Publikationen eindeutig miteinander verbunden werden. Da ich als Autor die ORCID selbst pflegen kann, keine kommerzielle Absicht dahinter steht und die Langfristigkeit geben ist, hat mich dieser Service sehr überzeugt. Ab jetzt bin ich auch unter 0000-0002-2880-8947 (bzw. https://orcid.org/0000-0002-2880-8947) erreichbar.

Geisteswissenschaftliche Forschungsdaten – Was ist das und was mache ich konkret damit?

Was sind eigentlich geisteswissenschaftliche Forschungsdaten? Forschungsdaten sind sehr allgemein alle Ergebnisse, die zwischen dem Studium der Primärdaten (zeitgenössische Literatur, Archivquellen, Gegenstände, Ausgrabungen) und der Veröffentlichung der gewonnenen Erkenntnisse (etwa als Buch oder in einem Aufsatz) liegen. Die virtuelle Fachbibliothek Osteuropa der Bayerischen Staatsbibliothek zeigt diesen Zwischenbereich von Forschung – zwischen Wissensgenerierung und -veröffentlichung – recht anschaulich in einer Pyramidengraphik. Solche Aspekte des Forschungsdatenmanagement – kurz FDM – werden meiner Meinung nach in Zukunft für die wissenschaftliche Forschung zunehmend wichtiger werden. Die Leitlinien der DFG zum Umgang mit Forschungsdaten und auch Empfehlungen des BMBF zum Umgang mit Forschungsdaten zeigen schon deutlich in diese Richtung. Für die aktuelle Diskussion zu einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur siehe besonders den Twitter-Hashtag #finfra18.

Was sind die Forschungsdaten konkret, mit denen man als Wissenschaftler/-innen arbeitet? So unterschiedlich die Projekte im Bereich der Geisteswissenschaften sind, Arbeitsbibliographien entstehen zum Beispiel bei nahezu allen Themen. Für meine Dissertation habe ich letztlich ca. 3.800 Primärliteratureinträge – also für Veröffentlichungen vor 1991 – zusammengetragen. Hiervon habe ich nur knapp die Hälfte in der Fakultäts- bzw. Verlagsfassung verwendet und in dem Literaturverzeichnis aufgelistet.

Was passiert aber mit der anderen Hälfte? In der Dissertationsveröffentlichung erscheinen sie jedoch nicht. Eigentlich wäre daher die Mühe, viele entlegene Zeitungsartikel und Magazinbeiträge bibliographisch aufzunehmen, vergeblich gewesen. Die von mir zusammengetragenen Daten wären eventuell langfristig verloren gegangen, wenn ich sie nicht mehr aufgreifen sollte. Für die anderen Kolleg/-innen wären sie dann nicht frei zugänglich. Eine veröffentlichte Arbeitsbibliographie kann dies ermöglich.

Hinzu kommt ein zweiter Aspekt, nämlich die Transparenz. Denn es kann für die Forscher/-innen aus benachbarten Bereichen genauso interessant sein, welche Primärquellen ich in meiner Arbeit nicht verwende. Für sie ist nämlich durch die Bibliographie in meinem Buch nicht nachvollziehbar, auf welche designhistorische Literatur ich mich nicht gezogen habe.

Und drittens orientiere ich durch die freie Zugänglichkeit meiner Arbeitsbibliographie auch an der GO Fair Initiative (siehe hier und hier) der Europäischen Kommission. Durch die Interoperabilität – die Verarbeitbarkeit von Daten – und die Wiederverwendbarkeit von Daten ermögliche ich es zukünftigen Forscher/-innen, die sich etwa mit der Geschichte des bundesdeutschen Industriedesigns beschäftigen, dass sie meine Arbeitsbibliographie zu der Primärliteratur als einen Ausgangspunkt ihrer Projekte hinzuziehen können. So ist es möglich, dass sie etwa auf historische Zeitungs- und Magazinartikel zurückgreifen, die bis dahin nicht rezipiert worden waren.

Symbolbild: Technische Daten eines LINT der NordWestBahn, photographiert von F1 absolutely am 09.05.2010, freie Nutzung uneingeschränkt erlaubt

Mein Dissertationsprojekt habe ich lang mit diesem Blog begleitet. Er bildet daher auch den Kontext meiner Forschungstätigkeit ab, da ich hier auch über Konferenz- und Archivbesuche geschrieben oder erste Zwischenergebnisse formuliert habe, die ich später in der Dissertationsveröffentlichung wieder aufgenommen habe. Es ist daher konsequent, wenn ich die vergangenen Textbeiträge ebenfalls archiviere und zugänglich mache.

Sowohl im Blog als auch bei der Arbeitsbibliographie gibt es keine rechtlichen Probleme mit der Veröffentlichung, da ich der Urheber bin und etwa über das Forschungsprojekt kein Repository vorgegeben war. Die Seite www.forschungsdaten.info beschreibt jedoch sehr gut die verschiedenen, rechtlichen Aspekte die bei Forschungsdaten beachtet werden müssen. Dies wird etwa bei Archivphotographien oder Zeitzeug/-innen-Interview relevant.

Offen bleibt dabei jedoch, welche Daten nun wirklich veröffentlich werden. Wie es beispielsweise auf dem DHMuc-Blog thematisiert wird, habe auch ich mich gegen die Weitergabe von Notizen, persönlichen Schlagwörtern usw. entschieden. Ich „beschränke“ mich daher auf die bibliographischen Daten.

Aber wie mache ich nun meine Forschungsdaten zugänglich und archiviere sie? Ich habe mich mit Open Data LMU der LMU-Universitätsbibliothek für ein institutionelles Repository entschieden. Da ich die Arbeit an der Ludwig-Maximilians-Universität München verfasst habe, lag es nahe auch die Forschungsdaten dort zugänglich zu machen. Zugleich kann ich mit der Universitätsbibliothek sicher sein, dass die Daten dort langfristig bereitgestellt werden. Eine andere Möglichkeit wäre etwa das DARIAH-DE-Repository gewesen. Weitere Möglichkeit hätte man etwa über DataCite recherchieren können.

Aber welche Datenformate eigenen sich für die Langzeitarchivierung von Forschungsdaten? Die ViFa Osteuropa gibt eine gute Handreichung zu den empfohlen Dateiformate, in welchen die Forschungsdaten gespeichert werden sollten. Für den Blog habe ich ein WordPress-Tool verwendet, dass alle Blogposts im xml-Format ausgibt. Die Arbeitsbibliographie habe ich in verschiedenen Versionen erstellt, um eine möglichst große Bandbreite anzubieten und die Nachnutzung zu vereinfachen. Ich habe mich für die drei Dateiformate -html, -txt und pdf (PDF/A-3) entschieden. Als Ausgabestil habe ich wiederum einen BibTeX-Export, einen RefMan-RIS-Export und menschenlesbare Bibliographievariante gewählt.

Meine Arbeitsbibliographie und mein Forschungsblog sind nun veröffentlicht und archiviert. Sie sind auf dem Open Data LMU-Server unter der DOI https://doi.org/10.5282/ubm/data.122 und https://doi.org/10.5282/ubm/data.123 zu finden. Über Feedback, Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge würde ich mich freuen.

Arianna Giachi: Die Design-Journalistin

Arianna Giachi (1920-2011) wurde in Davos geboren und studierte in München, Florenz und Freiburg Philologie. In Freiburg wurde sie bei Hugo Friedrich mit einer Arbeit Dante Alighieri promoviert. Nach dem 2. Weltkrieg kam sie 1946 als Literatur-Redakteurin zu der Zeitschrift „Gegenwart“. Seit 1958 lebte Giachi als freie Journalistin in Frankfurt am Main und übersetzte ungefähr 30 Bücher von Pavese bis Natalia Ginzburg aus dem Italienischen ins Deutsche.

Als freie Literatur- und Kunstkritikerin der FAZ kam Giachi seit Ende der 1950er Jahre mit dem aufkommenden Thema Design in Berührung, welches sie über Jahrzehnte kritisch begleitete. Besonders in den 1970er und 1980er Jahren verfasste Giachi für die FAZ viele Beiträge zu Designthemen in der Bundesrepublik. Hierbei besprach sie beispielsweise aktuelle Ausstellungen oder Buchprojekte die sich mit dem Thema ,Design‘ beschäftigten. Daher sind ihre Texte für designhistorische Darstellungen zur „Bonner Republik“ von großer Bedeutung. Denn Giachis Berichterstattung wurde unter den Zeitgenossen vielfach rezipiert und ihr Urteil war zum Teil „gefürchtet“. Ihre Beiträge bieten daher einen reichhaltigen Überblick zu Themen im westdeutschen Industriedesign der Zeit. Für eine Kurzbibliographie von Giachi zum Thema Industriedesign siehe diese Literaturlisten (fertige Bibliographie/XML-Ausgabe)

Neben ihrer publizistischen Arbeit engagierte sich Giachi beispielsweise im Werkbund und wurde 1970 erstmals in den Vorstand des Hessischen Werkbunds gewählt. Im Jahr 1972 untersuchte Giachi im Auftrag des Rats für Formgebung die angestoßenen Reformen der Designer-Ausbildung. Dieser sogenannte Giachi-Bericht zur postulierten „Designer-Ausbildungskrise“ bildete eine zentrale Diskussionsgrundlage für die Reform der Design-Curricula Mitte der 1970er Jahre.

1993 erhielt Giachi für ihre publizistische Lebensleistung den Preis des Deutschen Kunsthandwerks. Zusammen mit beispielsweise Elke Trappschuh und Gisela Brackert war Giachi eine der bekanntesten westdeutschen Designkritikerinnen. Arianna Giachi verstarb 2011 in Frankfurt am Main. Leider befindet sich kein persönlicher Nachlass von Giachi im Frankfurter Stadtarchiv, der ihre Verdienste für die historische Forschung zugänglicher machen würde.

Die Beilage „zeigemäße form“ als Quelle für eine bundesdeutsche Designgeschichte

Eine wichtige Quelle für die bundesdeutsche Designgeschichte zwischen den 1960er und 1980er Jahren ist die Beilage „zeitgemäße form“ der Süddeutschen Zeitung. Zwischen ca. 1963 und 1989 erschien die „zeitgemäße form“ zwar unregelmäßig, aber ungefähr jeden zweiten Monat. Geleitet wurde diese Beilage von Johann Klöcker (1908-1995). Er befand sich dabei in einer nicht beneidenswerten Lage: Der redaktionelle Raum, der ihm vom Verlag zur Verfügung gestellt wured, richtete sich naturgemäß nach dem Anzeigenaufkommen.

Dieses vermeintliche Manko führte jedoch dazu, dass die Bandbreite der behandelten Design-Themen äußerst vielfältig und zugleich tiefgründig war. Schon rein optisch hebt sich die „zeitgemäße form“ in ihrer Typographie von dem Rest der Zeitung ab. Klöcker und seine Autor_innen profitierten davon, dass Ihre Beiträge nicht im Feuilleton-Teil der Süddeutschen erschienen. Auf diese Weise konnten sie zu aktuelle Design-Debatten Stellung beziehen oder beispielsweise von der Messe in Hannover berichten.

Die jeweilige Beilage hatte meist einen inhaltlichen Schwerpunkt. Hierbei lassen sich ungefähr drei Großgruppen an Beiträgen ausmachen: 1. Fragen der Designer-Zunft, wie die „Designer-Ausbildungskrise“, Entwicklungen im Rat für Formgebung oder beim VDID, die Verleihung des Bundespreises „Gute Form“ oder ICSID-Kongresse, standen im Vordergrund. 2. Neue Konsumprodukte mit einem hohen Anspruch an Design fanden bei der „zeitgemäßen form“ regelmäßig eine Plattform. Beispielsweise wurde meist vor Weihnachten in einer Ausgabe die neuesten Konsumporzellane oder Möbelstücke besprochen. 3. Daneben wurden neue Technik oder Designkonzepte präsentiert. Diskussionen über Computer Aided Design, Design-Management oder Kunststoffe in der Produktgestaltung wurden nicht nur in der form geführt, sondern auch in der „zeitgemäßen form“.

Seit 1975 wurden die beiden Beilagen „zeitgemäße form“ und „zeitgemäße technik“ unter der Ägide von Klöcker zusammengefasst. Dies führte zu einer stärkeren Verschränkung von Design- und Technikfragen seit den 1980er Jahren. Bald danach zog sich Klöcker zurück und übergab die Leitung der „zeitgemäßen form“ an Peter Horn. Ende der 1980er Jahre wurde die Beilage aus unbekannten Gründen bedauerlicherweise eingestellt. Neben den regelmäßigen Beiträgen von Arianna Giachi in der FAZ und von Elke Trappschuh im Handelsblatt war die „zeitgemäße form“ der zentrale Ort für eine Designberichterstattung in einer bundesdeutschen Tageszeitung.