Gustav Stein: Politiker, Kunst- und Designförderer

Gustav Eugen Stein (19.04.1903-21.10.1979) wurde 1903 in Duisburg geboren. Nach dem Abitur und einer kaufmännischen Lehre studierte er Rechtswissenschaft in Tübingen, Köln und Münster. 1929 legte er sein Referendarexamen und 1933 sein Assessorexamen in Berlin ab. 1934 ging er als Rechtsanwalt an das Oberlandesgericht in Köln. Und von 1939 bis 1945 leitete er als Prokurist die pharmazeutische Tropon-Werke Köln. Nach dem 2. Weltkrieg erhielt Stein von der britischen Besatzungsmacht den Auftrag zur Gründung des Landesverbands Nordrhein der Chemischen Industrie und 1948 wurde er dann Geschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie in der Bundesrepublik. Ab 1957 war Stein Hauptgeschäftsführer im Bundesverband der Deutschen Industrie, den er von 1963 bis 1968 als geschäftsführendes Vorstandsmitglied leitete. Parallel zu dieser Tätigkeit war er ebenso Gründungsmitglied und jahrelanges Vorstandsmitglied der Staatsbürgerlichen Vereinigung e.V., welche später in den 1980er Jahren in mehrere Parteispendenaffären verwickelt war. Zugleich saß Stein von 1961 bis 1972 für die CDU im deutschen Bundestag und nahm dort Funktionen im Wirtschaftsausschuss wahr. In diesem Zusammenhang wurde Stein daher von vielen Designern achtsam als einen „l’homme politique“ bezeichnet.

Parallel zu diesen Tätigkeiten gründete Stein 1951 zusammen mit Theodor Heuss den Kulturkreis im BDI, den er über mehrere Jahrzehnte leitete. Diese Vereinigung von westdeutschen Industriellen engagierte sich besonders bei der Förderung zeitgenössischer und NS-verfolgter Künstler. Stein selbst war ein ambitionierter Sammler und trug eine reichhaltige Sammlung an Gegenwartskunst in seinem Haus in Honrath bei Bergisch Gladbach zusammen. Seit 1958 übernahm er verschiedene Lehraufträge an der Kunstakademie Düsseldorf. Soweit es aus den Akten in Düsseldorf hervorgeht, scheint er vor allem Exkursionen für Studierende in nordrhein-westfälische Kunstmuseen oder zu sich nach Honrath angeboten zu haben. 1963 wurde er darüber hinaus zum Professor für die Soziologie der Künste berufen. Für den deutschen Bundestag gründete Stein eine eigene Kunstsammlung. Gleichzeitig förderte er den westdeutsch-israelischen Austausch und bereiste mehrmals das Heilige Land. Dabei setzte er sich Anfang der 1970er Jahre mehrmals für eine bundesdeutsche Designausstellung in Israel ein, die jedoch nie zu Stande kam. Einer der Gründe war, dass westdeutsche Industrieunternehmen Boykottaufrufe gegen ihre Waren fürchtete, wenn diese in Israel gezeigt werden würden. Neben diesem transnationalen Engagement war er zeitweise Vorsitzender der Freiherr von Stein-Gesellschaft, einem Vorfahren von ihm.

Gleichzeitig zu seinem Engagement für zeitgenössische Kunst beteiligte sich Stein bei drei Designinstitutionen. Er war Mitbegründer des Gestaltkreises im BDI 1965 und dort als Geschäftsführer besonders für die Spendenakquirierung sowie finanzielle Zuwendungen zuständig. In diesem Kreis kamen ähnlich wie im Kulturkreis westdeutsche Industrielle zusammen, die für verschiedene Designinstitutionen und -aktivitäten in der Bundesrepublik spendeten. Darüber hinaus war Stein beim Rat für Formgebung von 1968 bis 1973 als geschäftsführendes und später als normales Vorstandsmitglied aktiv. Dazu führte Stein ebenfalls ab 1969 das IDZ Berlin bis zur Berufung von François Burkhardt 1971 und saß auch dort in den zentralen Leitungsgremien. Als Jurist, Kaufmann, Politiker und Lobbyist besaß Stein keine praktischen Fähigkeiten im Designbereich, jedoch engagierte er sich vielfach für die sogenannte Designpolitik in der Bundesrepublik. Er bezog daher immer wieder zu designspezifischen Themen Stellung (konventionelle bzw. XML-basierte Design-Bibliographie) und setzte sich bei anderen Politikern für Aspekte der industriellen Formgebung über alle Parteigrenzen hinweg ein. Für eine bundesdeutsche Designgeschichte ist Stein deshalb wichtig, da er als Akteur bei vielen Designinstitutionen in den 1960er und 1970er Jahren tätig war. Neben Ernst Schneider und Philip Rosenthal war er einer der zentralen Persönlichkeiten an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Design.

Ernst-Jörg Kruttschnitt hatte Gustav Stein daher als „Wirtschaftspolitiker, Parlamentarier, Kunst- und Designförderer [und als] ein Mann der Aufbaujahre der Bundesrepublik“ bezeichnet. 1 Stein verstarb 1979 auf der Jahressitzung des Kulturkreises in Lüneburg. Die Anzahl der Trauerbekundungen für Stein und deren prominenten Autoren ist beachtenswert:

von Bohlen und Halbach, Berthold (1979): Trauerrede für Gustav Stein, in: Gustav Stein zum Gedanken, hrsg. vom Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., Köln.
Braun, Günter und Burkhardt, François (1979): Todesanzeige Gustav Stein, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 26.10.1979.
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (1979): Todesanzeige Gustav Stein, in: Handelsblatt, vom 24.10.1979.
Carstens, Karl (1979): Beileid zum Tode von Professor Stein, in: Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, vom 26.10.1979.
Giachi, Arianna (1979): Ein Kunstfreund – Zum Tode von Gustav Stein, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 23.10.1979.
von Hassel, Kai Uwe (1979): Trauerrede für Gustav Stein, in: Gustav Stein zum Gedanken, hrsg. vom Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., Köln.
Kulturkreis im BDI und Gestaltkreis im BDI (1979): Todesanzeige Gustav Stein, in: Handelsblatt, vom 24.10.1979.
Rat für Formgebung (Hrsg.) (1979): Tätigkeitsbericht 1978-1979, Darmstadt.
Rosenthal, Philip (1979): Todesanzeige Gustav Stein, in: form (88), S. 79.
– (1979): Todesanzeige Gustav Stein, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 26.10.1979.
Wagner, Herbert H. (1979): Eine großzügige Förderung für die gesamte Kunst, in: Handelsblatt, vom 23.10.1979.

Im Jahr 1983 wurde eine Mappe mit 34 Graphiken und einer Gesamtauflage von 150 Stück produziert. Sie trägt den Titel „Hommage à Gustav Stein“ und sollte als künstlerische Erinnerung an Steins lebenslanges Engagement verstanden werden.

Die Überlieferung zu Gustav Stein ist vergleichsweise schlecht. In dem Archiv für Christlich-Demokratische Politik, dem BDI-Archiv, dem Archiv des Deutschen Bundestags und dem Archiv der Kunstakademie Düsseldorf lassen sich zwar vereinzelt Quellen zu Stein finden, qualitativ und quantitativ sind diese jedoch vergleichsweise unbefriedigend. Ob ein persönlicher Nachlass von Gustav Stein existiert, ist leider nicht bekannt.

1) Kruttschnitt, Ernst Jörg (1973): Das Porträt: Stein – der anstieß, in: design report, vom 27.04.1973.

Forschungsdaten für und von HistorikerInnen?

Das Wort „Forschungsdaten“ gewinnt zunehmend für WissenschaftlerInnen an Bedeutung. Gleichzeitig stehen HistorikerInnen der Frage nach eigenen Forschungsdaten immer vergleichsweise ratlos gegenüber, da die Geschichtswissenschaften natürlich keine Daten generiert, wie dies ein physikalisches Experiment am CERN mit Teilchenkollisionen hervorruft. Selbstverständlich sammeln auch HistorikerInnen viele verschiedene Daten, um ihre Thesen zu belegen. Zentral hierbei sind selbstverständlich jegliche Formen von Literatur. Zwar ist dies vordergründig nicht so spektakulär wie in anderen Wissenschaftsbereichen, aber für eine stark textbasierte Wissenschaft – wie die Geschichtswissenschaften häufig betrieben werden – ist dies durchaus naheliegend. Analysiert man – wie in meinem Fall – die zeitgenössischen Debatten der verschiedenen Akteure, so kommt rasch eine große Anzahl an Primärliteratur zusammen, die deutlich im vierstelligen Bereich liegt. Je nach Thematik und Arbeitsweise können diese Literaturangaben so umfangreich werden, dass man sie ohne ein Literaturverwaltungsprogramm kaum noch sinnvoll organisieren kann. Die gängigen drei Programme sind Zotero, Endnote und Citavi. Ich würde jeder/m HistorikerIn empfehlen sich gleich am Beginn eines Forschungsprojekts mit einem Literaturverwaltungsprogramm vertraut zu machen und dies für seine folgende Arbeit zu benutzen und regelmäßig zu pflegen. Die verschiedenen Vorteile liegen auf der Hand, jedoch muss am Anfang etwas Zeit investiert werden, die jedoch sinnvoll eingesetzt ist.

Ein Beispiel, an welchem ich kurz die Funktionsweise einer Literaturdatenbank veranschaulichen werde, ist ein vielzitierter Artikel von Philip Rosenthal, in dem er die zunehmende Bedeutung von Design für den Alltag thematisiert. In der Datenbank ist für jede bibliographische Angabe ein vorgeschriebenes Feld definiert, in welchem die spezifischen Informationen zu diesem Zeitschriftenartikel – von mir – eingetragen wurden. Exportiert man diese Daten zum Text von Rosenthal in einem maschinenlesbaren Format, wie beispielsweise XML, so bekommt man (verkürzt dargestellt) folgenden Datensatz.

<Reference_Start>
<2>Newspaper Article<2/>
<3>Philip Rosenthal<3/>
<4>1965</4>
<5>Brandrede gegen die Atomisierung des Design</5>
<6>zeitgemäße form in der Süddeutschen Zeitung</6>
<17>25.11.1965</17>
<Reference_End>

Zwischen dem Beginn und dem Ende des Datensatzes werden insgesamt 6 Angaben gemacht, durch welche der Zeitungsartikel in einer Bibliographie dargestellt werden kann. Jedes imaginäres Feld der Literaturdatenbank ist dabei durch „<> “ gekennzeichnet. Die Angaben 3-6 und 17 beziehen sich dabei auf Autor, Veröffentlichungsjahr, Artikeltitel, Zeitungsartikel und genaues Veröffentlichungsdatum. In dem Feld Nr. 2 ist beschrieben, welche Form von Literaturangabe es sich hier handelt. Anhand meiner selbstgeschriebenen Endnote-Ausgabedatei wird über diesen Referenztypen zugeordnet, welche Felder dieses Datensatzes in eine spezifische Form und Reihung gebracht werden. Schlussendlich erscheint der Rosenthal-Artikel in der folgenden Form in meiner Bibliographie:

Rosenthal, Philip (1965): Brandrede gegen die Atomisierung des Design, in: zeitgemäße form in der Süddeutschen Zeitung, vom 25.11.1965.

Hier stehen zwei Dokumente zum Download bereit, die beide ursprünglich aus den gleichen Literaturdatensätzen generiert wurde. Es handelt sich hierbei um alle Beiträge (insgesamt 170) der Sonderbeilage „zeitgemäße form der Süddeutschen Zeitung“ zwischen 1964 und 1990, die sich mit Industriedesign im weiteren Umfeld beschäftigen. Das erste Dokument ist maschinenlesbar bzw. wie im Beispiel 1 aufgebaut. Diese .odt-Datei könnte in eine Literaturdatenbank immigriert werden. Das zweite Dokument ist eine fertige Bibliographie als .odt-Datei und gibt die Zeitungsartikel wie in Beispiel 2 wieder.

„Design – Vorausdenken für den Menschen“ 1984 – Zu Gast bei Verwandten

Die innerdeutsche Mauer war für einen Designaustausch nicht so durchlässig, wie man vordergründig erwarten würde. 1984 kam es zu einer innerdeutschen Primäre: im Kontext des gegenseitigen Kulturaustauschs präsentierte der Rat für Formgebung eine Ausstellung zu westdeutschem Design in Ost-Berlin und später 1985 auf der Leipizger Herbstmesse. Dies war die erste Vorführung von deutschem Design in dem „anderen Deutschland“. Unter dem Titel „Design – Vorausdenken für den Menschen“ kamen ca. 100.000 DDR-Bürger_innen, um sich über industrielles Design aus der Bundesrepublik in der Ausstellungshalle des Internationalen Handelszentrums in (Ost-)Berlin zu informieren. Der Spiegel zitierte dazu halb herablassend halb anerkennend zwei Besucher: „“Da könn‘ unsre noch wat lernen“, meint ein junger Mann im Parka, „det ist nich so piefig.“ Und seine Begleiterin bedauert: „Ankucken könn‘ wa, aba koofen is neese.““

Leipzig Herbstmesse 1985: Staatssekretär Prof. Dr. Martin Kelm eröffnete im Dimitroff-Museum die Design-Ausstellung aus der BRD, Bundesarchiv, B 145 Bild 183-1985-0903-116, von Waltraud Grubitzsch, CC-BY-SA 3.0

Martin Kelm als Leiter des Ostberliners Amts für industrielle Formgebung der DDR (im Bild am Mikrophon) und der Präsident des westdeutschen Rats für Formgebung Philip Rosenthal (im Bildzentrum mit schwarzem Hemd) sprachen jeweils die einleitenden Worte zu dieser Ausstellung. Rosenthal betonte dabei in seiner Rede, dass trotz unterschiedlicher politischer und wirtschaftlicher Meinungen in beiden Staaten, das AiF und der RfF wegen der Förderung einer guten Form „Alliierte im Design“ seien. In der Tat funktionierte die Zusammenarbeit bei dieser Ausstellung zwischen AiF und RfF reibungslos.

Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in (Ost-)Berlin fasst die Ausstellung in einem Schreiben an das Bundeskanzleramt bzw. Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen wiefolgt zusammen: „Das Interesse an der Ausstellung war groß; sie wuchs sich aber nicht zu einem spektakulären Ereignis aus. Die Präsentation blieb sachlich-unprätentiös und wirkte in keiner Weise protzig oder überheblich. Es ist anzunehmen, dass diese Haltung gerade angesichts des Vorsprungs des Industriedesigns in der Bundesrepublik Deutschland von der DDR genau zur Kenntnis genommen wurde.“

Für die Bundesrepublik war diese Ausstellung ein großer Erfolg der Deutschlandpolitik, für die DDR war es ein gelungener Kulturaustausch. Daher wurde im Gegenzug zu dieser Ausstellung 1988 im Stuttgarter Design-Center die Ausstellung „Design in der DDR“ gezeigt.

Philip Rosenthal in der Designgeschichte

Philip Rosenthal (1982), Bundesarchiv, B 145 Bild-F062779-0019, von Harald Hoffmann, CC-BY-SA de

Vor fast einem Jahrhundert wurde der Unternehmer, SPD-Politiker und Designenthusiast Philip Rosenthal (1916-2001) geboren. Rosenthal war eine der prägenden Persönlichkeiten in der Bundesrepublik. Neben seinen vielen Erfolgen als Vorstandsvorsitzender sowie später als Aufsichtsratsvorsitzender der väterlichen Rosenthal AG in Selb, war er ständig in den verschiedenen Medien präsent. Nicht umsonst wurde kolportiert, dass seine Initialen eben auch für Public Relations standen.

Für die bundesdeutsche Designgeschichte ist Philip Rosenthal trotz oder gerade wegen seiner verschiedenen Tätigkeitsfelder interessant. Jüngst hat Alexandra Siemen-Butz in ihrer Dissertation die Facetten Politik und Unternehmen in Rosenthals Leben herausgearbeitet. Eine dezidierte Analyse seines Engagements im Design fehlt derzeit noch. Diese Lücke werde ich mit einem Kapitel meiner Arbeit füllen. Rosenthal hatte dabei wegen seinen verschiedenen Positionen und

Tätigkeiten eine wichtige Rollen gespielt. Von 1968 bis 1977 war er Vizepräsident und dann von 1977 bis 1986 Präsident des Rats für Formgebung. Darüber hinaus gehörte er dem Vorstand des Gestaltkreises im BDI sowie des IDZ Berlin an und hatte beim Bauhaus-Archiv zeitweilig die Präsidentschaft inne. Gleichzeitig war Rosenthal bei vielen Designer_innen alles außer unumstritten. Seine Mitgliedschaft im Werkbund wurde ihm in Bayern, dem Bundesland seines Wohn- und Dienstortes, verwehrt. Der Werkbund Hessen nahm ihn jedoch auf, vermutlich da der Sitz des Rats für Formgebung in Darmstadt und damit in Hessen lag.

Eine Biographie zu Rosenthal mit einem dezidierten Schwerpunkt auf seine lebenslangen Tätigkeiten und sein Engagement für Design jedweder Art wäre ein faszinierendes Projekt. Rosenthals Leben als Erzählstrang wäre sicherlich möglich und für Leser dank großer Zusammenhänge sowie spannender Details ein Erfolg. Dass seine Biographie auch voller Anekdoten war, veranschaulicht beispielsweise das Radiofeature von Gabi Schlag oder ein Blick in Rosenthals lesenswertes Buch „Einmal Legionär“ von 1980 (Rezension im Spiegel 1981). Das „Vermächtnis des Porzellankönigs“ behütet heute seine ehemalige Lebensgefährtin Beate Reichel in Erkersreuth. Das Schloss ist nicht nur ein eindrucksvoller Wohnraum, wie die Wohnreportage des A&W-Magazines von 2009 zeigen. Eine Untersuchung dieses Domizils mit design- und auch kunsthistorischen Fragestellungen wäre aller Aufwand wert und würde Philip Rosenthal gerecht werden.