Robert Gutmann: Ein deutsch-britischer Industriedesigner

Der Industriedesigner Robert Gutmann wurde am 18.04.1910 in Augsburg geboren. Er studierte Architektur und Innenarchitektur an der Kunstgewerbeschule Stuttgart und war dort Meisterschüler bei Adolf Schneck. 1935 ging Gutmann nach Berlin und wirkte bis 1937 als selbstständiger Innenarchitekt. Bis 1939 arbeitete er in dem Berliner Büro von Fritz August Breuhaus de Groot. Im Juni 1939 flüchtete Gutmann und seine jüdische Frau nach England vor den Verfolgungen in Deutschland. Gutmann arbeitete dann viele Jahre in der Planungsabteilung des Automobilunternehmens Jaguar bei Conventry. Nach dem 2. Weltkrieg schloss sich Gutmann der Design Research Unit um Misha Black in London am Royal Collage of Art sowie dem „Studio 2“ in Wien an. Er wurde später in Großbritannien wegen seiner Verdienste als Industriedesigner und Hochschullehrer zum „Fellow of the Society of Industrial Artists“ ernannt (SIA).

Gutmann führte in London und später ebenfalls in Stuttgart – in Zusammenarbeit mit Arno Votteler – ein selbstständiges Design-Büro, das auf die Inneneinrichtung von Läden, Restaurants, Büros, Ausstellungsräumen und Sitzungssälen spezialisiert war. Er kam seit 1953 immer wieder in die Bundesrepublik Deutschland und engagierte sich bei westdeutschen Designinstitutionen. Neben seiner Arbeit als Produktdesigner war er ebenfalls als Designberater für viele verschiedene Firmen in Westdeutschland, der Schweiz, Österreich und Schweden tätig. Beispielsweise entwarf er für die planmöbel GmbH.

Schreibtisch der Studie 60, Planmöbel Eggersmann, Design von Arno Votteler, 1962, Abbildung von Arno Votteler, Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Von 1968 bis 1973 war Gutmann fachlicher Leiter des Rats für Formgebung. Daneben war er von der Gründung 1969 bis Ende 1973 der fachliche Leiter des Internationalen Design-Zentrums in (West-)Berlin. Beim Rat für Formgebung hatte Gutmann u.a. dem Bundespreis „Gute Form“ 1969 eingeführt und zu dem zentralen bundesdeutschen Designpreis geführt. Parallel dazu entwarf er von 1969 bis 1971 zusammen mit Arnold Bode das Konzept einer international Design-Ausstellung, die als „Design-Expo“ 1972 parallel zu den Olympischen Spielen in West-Berlin hätte gezeigt werden sollen, von der sowjetischen Militäradministration jedoch verhindert wurde. Gleichzeitig zu solchen Aktivitäten war Gutmann Dozent am Royal College of Art in London, Gastdozent am Farbpsychologischen Institut in Salzburg und hatte einen Lehrauftrag für Gestaltungslehre an der Technischen Hochschule Wien.

Robert Gutmann war ein Industriedesigner, der nach dem 2. Weltkrieg verbindend zwischen bundesdeutschen und britischen Gestaltern agierte. Sein Bericht von 1954 „Aus dem Tagebuch eines Designers in England“ (Bauen + Wohnen [9/3], S. 135-136) ist nur ein anschauliches Beispiel hierfür. Da er sowohl in Großbritannien als auch in Westdeutschland in Fachkreisen erfolgreich vernetzt war, bildete er eine – bis jetzt von der Designhistoriographie – unterschätze ,Brücke‘ zwischen beiden Ländern. Für den Austausch von Fachdebatten war Gutmann einer der zentralen Persönlichkeiten. So orientierten sich beispielsweise die ersten VDID-Mitglieder bei der Verbandsgründung 1959 zuerst an der britischen Design-Definition, die über Gutmann zu Votteler und damit zu der Gründungsversammlung kam.

Gutmann verstarb am 22.08.1981 im Alter von 71 Jahren in London. Zu seinem Andenken wurde 1982 für einige Jahre der „Bob-Gutmann-Förderpreis für junge Designer“ an Teilnehmer der Design-Börse des Hauses Industrieform Essen vergeben.

Zäsuren in der Designgeschichte

Das Jahr 1938 ist eine Zäsur in der Designgeschichte – zumindest aus der Sicht der Kuratoren des Museums für angewandte Kunst in Wien. Der „Anschluß“ Österreichs wird in der Dauerausstellung in Wien als das Ende einer Design-Periode verstanden. Mit dem Jahr 1938 endet das österreichische Design. Losgelöst von der Frage, ob der „Anschluß“ 1938 in allen Facetten eine Zäsur war, drängt sich eine gedankliche Auseinandersetzung mit Periodisierungen in der Designgeschichte mehr oder weniger auf.

Standardwerke zur Designgeschichte, beispielsweise von Victor Margolin oder Gert Selle, orientieren sich im 20. Jahrhundert überwiegend an politischen Zäsuren in ihren Darstellungen. Sowohl in Margolins „World History of Design“ als auch in Selles „Geschichte des Design in Deutschland“ bilden die beiden Weltkrieg die Ereignisse, welche das Design des 20. Jahrhundert periodisieren. Bei Selle wird darüber hinaus das Jahr 1968 – mit dem Ende der HfG Ulm und/oder mit der 68er-Bewebung – zur Zäsur. Wie im Wiener Beispiel werden meist politische oder gesellschaftliche Veränderungen als Beginn und Ende designhistorischer Periodisierungen gewählt.

In der deutschen Forschung zur Zeitgeschichte wird seit längerem über die verschiedenen zeitlichen Einteilungen diskutiert. Der von mir favorisierte Ansatz „Nach dem Boom“ betont beispielsweise, dass die 1970er und 1980er Jahre eine Zeit weitreichender soziokultureller Transformationen waren. Nichtsdestotrotz gibt es verschiedene andere Angebote, Zäsuren im 20. Jahrhundert zu setzen, die ebenfalls ihre Berechtigungen haben. Etwas sarkastisch aber lesenswert hat dies Jürgen Kaube in seinem Essay „Auf dem Jahrmarkt der Zeitdiagnosen“ zusammengefasst. Für moderne Zeithistoriker_innen ist es üblich über verschiedene Ansätze zur Periodisierung einer „Geschichte der unmittelbaren Gegenwart“ zu diskutieren.

In der aktuellen historischen Designforschung konnte ich – bis jetzt – in dieser Richtung wenig Debattenbeiträge finden. Obwohl sich meistens die Mühe lohnte, gängige Erzählungen einmal „gegen den Strich zu bürsten“, orientiert sich die Designgeschichtesschreibung in Deutschland überwiegend an den gängigen Zahlen: 1907 (Gründung des Werkbunds), 1914/1918 (1. Weltkrieg), 1933 (NS-„Machtergreifung“), 1945 („Stunde Null“), 1968 (Ende der HfG Ulm) und 1990 (dt.-dt. Wiedervereinigung).  Alle Jahresangaben können sicherlich als Zäsuren benutzt werden. Jedoch wäre es sicherlich ebenso spannend einmal zu verfolgen, wie dieselben Akteure hinewg über diese Epochen agierten. Periodisierungsversuche jenseits von politischen oder soziokulturellen Zäsuren, zugleich aber stärker orientiert an designimmanenten Entwicklungen, beispielsweise die Gründung des ICSID 1957 oder die Einführung des Farbfernsehens 1967, wären zwar zuerst eine Herausforderung, aber auch eine Bereicherung für die designhistorische Forschung.