Sound & Film History – Erfahrungen mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkarchiven

Seit Anfang 2014 und nach längeren Verhandlungen ist der Zugang für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkarchive einheitlich geregelt. Besonders für Recherchen in der Zeitgeschichte sind audiovisuelle Aufnahmen eine relevanter Quellengruppe, die neben „Papier“ helfen können, Aussagen über die Vergangenheit zu formulieren. Zugang zu alten Sendungen und Sendemanuskripten kann jeder erhalten, der an einem wissenschaftlichen Projekt – besonders einer Dissertation – arbeitet und der diesbezüglich auf historische Quellen angewiesen ist (Regeln). Die jeweiligen Ansprechpartner_innen der Sendeanstalten sind in einem .pdf-Dokumenten online einsehbar.

Symbolbild, aufgenommen von Dennis Skley am 29.07.2014, CC BY-ND 2.0

Wie bei allen Archiven sollte bzw. muss man vorab einen schriftlichen Antrag stellen, in dem das eigene Forschungsprojekt erläutert wird. Hinzu kommt die eigene Fragestellung, welche audiovisuelle Quellen man sich erhoffen könnte bzw. welche Schlagwörter für das Projekt interessant sind. Beispielweise finden sich in vielen Sendedatenbanken Beiträge zu dem für mich relevanten Rat für Formgebung oder dem Deutschen Werkbund. Je nach Personal- und Finanzressourcen sind Teilbestände der Rundfunkanstalten schon digitalisiert. Leif Kramp hat jüngst dazu eine gute Einschätzung der Situation sowie eine Übersicht zu den verschiedenen Programmanstalten geliefert. Es besteht gelegentlich die Chance, dass eine digitale Kopie einer Sendung oder einer Mitschrift spezifisch nur für das eigene Forschungsprojekt zur Verfügung gestellt wird. Falls eine digitale Archivierung nicht vorliegt, ist meist die Recherche vor Ort möglich. Eine Sendungskopie kann man ebenso erstellen lassen, dies ist jedoch vergleichsweise kostspielig und für Nachwuchswissenschaftler daher – leider – kaum möglich. Meine Erfahrungen mit den Rundfunkarchiven und der Benutzerberatung sind bis jetzt überwiegend positiv. Schlechte Erfahrungen habe ich dankenswerterweise bis jetzt, wie auch bei anderen Archiven, – außer in NRW – nicht machen müssen.

Es muss jedoch nicht immer ein Rundfunkarchiv sein, auch die Filmothek des Bundesarchivs besitzt viele Sendungsmitschnitte aus Kinowochenschauen oder Auftragsproduktionen des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung. Dies hier ist beispielsweise ein Beitrag der Ufa-Wochenschau zum Bundespreis „Gute Form“ 1973 mit dem Thema Fahrräder (ab 06:53 min oder Frame 4).
Welche spannenden Forschungsarbeiten beispielsweise im Bereich Sound History entstehen können und online besser publiziert sind als gedruckt, zeigt beispielsweise Uta C. Schmidt, die Industriegeschichte im Ruhrgebiet hörbar macht.

Was lässt sich im Osten für den Westen finden?

Pures Verkehrschaos, dem Bahnstreik im letzten Oktober war nicht zu entkommen. Ich war für zwei Wochen in der deutschen Hauptstadt um in verschiedenen Archiven zu recherchieren und dann das. Meine Unterkunft im Süden von Berlin, verkehrsstrategisch günstig an der S25 gelegen, erwies sich als denkbar schlechter Ort, um während den Streiktagen durch die Metropole zu fahren. Aus der Not lässt sich manchmal eine Tugend machen, für mich wurden die Andrews Barracks das naheliegende Ziel. In der ehemaligen Preußischen Hauptkadettenanstalt aus dem 19. Jahrhundert, später die Kaserne der Leibstandarte SS Adolf Hitler und ab 1945 dann Dienstort vieler amerikanischer Soldaten in West-Berlin, befindet sich heute der Standort Berlin-Lichterfelde des Bundesarchivs. Die Akten aus der ehemaligen DDR, deren Parteien und Massenorganisationen werden dort archiviert.

Da das Bundesarchiv nur einige Fussminuten von meiner Unterkunft war, der Bahnstreik den öffentlich Nahverkehr quasi zu erliegen brachte und zuhause keinen guten Arbeitsplatz hatte, beschloss ich notgedrungen nach eventuellen Quellen für mein Promotionsthema zu suchen. Die zentrale, aber natürlich improvisierte Fragestellung für mich war dabei, welche Erkenntnisse könnten sich in den Akten des Amts für industrielle Formgebung für meine Arbeit finden lassen? Das Stichwort, welches mir vorschwebte war „Parallelüberlieferung“. Mir war bekannt, dass das Internationale Designzentrum (West-)Berlin, der Rat für Formgebung und das Amt für industrielle Formgebung ab Mitte der 1970er Jahre regelmäßig in Kontakt standen und ab den 1980er Jahren auch wechselseitige Besuche sowie Ausstellungen organisierten. Dass zu all diesen Ereignissen und Entwicklungen sicherlich Akten angelegt wurden, war naheliegend.

Das Bundesarchiv hat vor einiger Zeit ein neues Online-Recherche-Werkzeug entwickelt: Invenio. Vorrecherche und Bestellung ließen sich darüber problemlos und einfach tätigen. Ich war damit rundum zufrieden – laut Saalauskunft war ich damit aber eine große Ausnahme. Vor Ort konnte ich dann in der Tat einige Archivalien des Amts für Formgebung beispielsweise zum Rat für Formgebung, dem Internationalen Designzentrum Berlin oder den Treffen des International Council of Societies of Industrial Design (ISCID) finden.

Mit etwas Abstand habe ich für mich folgende Schlüsse aus meinem Aufenthalt im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde gezogen: 1. im AiF wusste man sehr gut über die bundesdeutschen Designentwicklungen Bescheid. Die Sammlungen von Zeitungsausschnitten, Preisausschreiben und Presseinformationen waren vielfältig. 2. Angehörige des AiF besuchten regelmäßig Veranstaltungen und Ausstellungen des IDZ Berlin. Laut internen Sofortberichten engagierte man sich zwar kaum an Diskussionen etc., jedoch alle Neuerungen, Trends und Entwicklungen aus dem „nicht-kapitalistischen Ausland“ wurden aufmerksam notiert. 3. Für Warenproben fuhren regelmäßig Mitarbeiter_innen über die Sektorengrenze, um in westdeutschen Kaufhäusern verschiedene Warenproben zu nehmen, wie beispielsweise Kinderspielzeug oder Kunststoffdosen. Das AiF versuchte auf diese Weise Studienmaterial für ostdeutsche Designer zu gewinnen. Skurril wirken dabei etwas die „Warenproben“ kurz vor Weihnachten. 4. Die Papierberge, die produziert bzw. eher beschrieben wurden, waren und sind riesig.