Günter Fuchs: Ingenieur und Designtheoretiker

Heute vor 110 Jahren wurde der Ingenieur und Designtheoretiker Günter Fuchs (1907-1984) in Schwarzenbach an der Saale geboren. Der Sohn eines Lehrers und einer Fabrikantentochter besuchte im nahen Nürnberg das Gymnasium. Nach seinem Abitur und einem Praktikum bei der Siemens AG in Nürnberg, studierte Fuchs ab 1926 an der Technischen Hochschule München Maschinenbau. Nach seiner erfolgreichen Diplomprüfung 1930 gründete er zusammen mit seinem Vetter Hans Summa eine Kohleofenfabrik. Unter der Firma Summa Feuerungen GmbH wurden auf dem großväterlichen Fabrikgrundstück in Schwarzenbach an der Saale Koks-Dauerbrand-Öfen entwickelt. 1932 heiratete er die Studienfreundin und Kunsthistorikerin Erika Fuchs (1906-2005), geborene Petri, welche mit ihren Übersetzungen der Walt Disney-Comics nach 1945 deutsche Literaturgeschichte schrieb.

Nach dem Tod von Hans Summa 1935 führte Günter Fuchs die Firma als alleiniger Geschäftsführer weiter. 1941 wurde Fuchs dann zur Wehrmacht als Truppeningenieur eingezogen. Als Regimentsingenieur diente er dann bei der Panzerarmee von Guderian während dem Überfall auf die Sowjetunion. Während dieses sogenannten Russlandfeldzugs verbesserte Fuchs Luftfilter oder entwarf Heizkessel für Panzer. 1943 wurde er damit den Bauvorbereitungen für Prüfstände beauftragt, an denen Raketentechniken von Wernher von Brauns Arbeitsgruppen getestet werden sollten. Am V2-Programm sollte Fuchs bis zum Ende des 2. Weltkriegs mitarbeiten. Über eine Inhaftierung oder ein Spruchkammerurteil ist hierbei jedoch nichts bekannt.
Nach dem 2. Weltkrieg baute er sein Ofen-Unternehmen in Schwarzenbach an der Saale wieder auf. Gleichzeitig – und hierbei ist er für die bundesdeutsche Designgeschichte ein wichtiger Akteur – engagierte er sich bei der Neugründung vieler Design-Institutionen. Schon 1947 beteiligte er sich an der Neukonstituierung des Werkbunds Bayern. 1952 wurde er in das Kuratorium der Neuen Sammlung München berufen. Parallel half er bei der Gründung des Hauses Industrieform in Essen, wurde Mitglied im Kulturkreis sowie später im Gestaltkreis des BDI und engagierte sich beim Arbeitskreis für industrielle Formgebung des Verein Deutscher Ingenieure. 1958 gründete er im Auftrag des Bayerischen Landesgewerbeamts Nürnberg das Faber-Institut für technische Gestaltung, welches sich speziell der Formgebung von technischen Produkten widmen sollte. Fuchs gehörte darüber hinaus dem VDI-VDMA-Gemeinschaftsausschuss Technische Formgebung, dem Vorstand des Rats für Formgebung, des Kulturkreises und des Gestaltkreises an.

Neben solchen Aktivitäten in Designinstitutionen hielt Fuchs ab 1956 Vorlesungen und Übungen zum Thema ,Technische Morphologie‘. Im Auftrag des BDI bot er zuerst für Studierende der TH München solche Kurse an. Ab 1968 waren diese Lehrveranstaltungen Teil der Curricula am Lehrstuhl für Konstruktionstechnik und für eine interessierte Öffentlichkeit zugänglich. 1973 erhielt Fuchs für seine Arbeit an der TH München dann eine Honorarprofessur. Diese Kurse von Fuchs fanden in enger Verbindung zur Siemens AG statt. Denn dort traf der Chefdesigner Edwin A. Schricker auf das Problem, dass ausgebildete Industriedesigner häufig eine längere Einarbeitungszeit bei ihrem Berufsbeginn benötigen. Die Veranstaltungen von Günter Fuchs sollten dabei helfen, solche Defizite möglichst zu vermeiden oder rasch ausbessern zu können. Für viele Design-, Ingenieurs- und Architektur-Studierenden, wie beispielsweise den Wuppertaler Design-Professor Odo Klose, war Fuchs daher ein wichtiger Vermittler von gestalterischen Fähigkeiten.

Denn ein zentrales Thema für Fuchs war die Verbindung von ingenieurwissenschaftlichem Arbeit und dem Industriedesign. Er sah sich dabei meist als Fremdling, da er es zeitgenössisch ungewöhnlich war als Ingenieur ästhetische Fragen zu stellen. Ebenso betrachteten die Designer ihn häufig als Techniker, der von gestalterischen Fragen in seinem Bildungswerdegang im Prinzip keine Kenntnisse besaß. Fuchs agierte daher schon früh an der Schnittstelle von Ästhetik und Konstruktion. Hierbei problematisierte er regelmäßig Fragen zur Produktgestaltung, die nicht nur von ästhetischen Theoriemodellen ausgingen.

Betrachtet man daher Günter Fuchs und seinen Werdegang nach der NS-Diktatur, so bieten sich am Beispiel seiner Biographie für eine designhistorische Forschung viele Möglichkeiten an, das Interagieren von Gestaltungs- und Konstruktionsfragen zu klären. Eine ausführlichere Betrachtung von Fuchs, seinen Tätigkeiten an den verschiedenen westdeutschen Designinstitutionen sowie seiner Arbeit als Dozent könnte hierbei als Beispiel dienen, wie nach dem sogenannten Wirtschaftswunder Themen zwischen Industriedesign und Ingenieurwissenschaften verhandelt wurden. Die Unterlagen zu Günter Fuchs im Stadtarchiv Hof, im Unternehmensarchiv der Siemens AG und in der Registratur der TU München bieten hierfür eine geeignete Quellenbasis.

Gustav Stein: Politiker, Kunst- und Designförderer

Gustav Eugen Stein (19.04.1903-21.10.1979) wurde 1903 in Duisburg geboren. Nach dem Abitur und einer kaufmännischen Lehre studierte er Rechtswissenschaft in Tübingen, Köln und Münster. 1929 legte er sein Referendarexamen und 1933 sein Assessorexamen in Berlin ab. 1934 ging er als Rechtsanwalt an das Oberlandesgericht in Köln. Und von 1939 bis 1945 leitete er als Prokurist die pharmazeutische Tropon-Werke Köln. Nach dem 2. Weltkrieg erhielt Stein von der britischen Besatzungsmacht den Auftrag zur Gründung des Landesverbands Nordrhein der Chemischen Industrie und 1948 wurde er dann Geschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie in der Bundesrepublik. Ab 1957 war Stein Hauptgeschäftsführer im Bundesverband der Deutschen Industrie, den er von 1963 bis 1968 als geschäftsführendes Vorstandsmitglied leitete. Parallel zu dieser Tätigkeit war er ebenso Gründungsmitglied und jahrelanges Vorstandsmitglied der Staatsbürgerlichen Vereinigung e.V., welche später in den 1980er Jahren in mehrere Parteispendenaffären verwickelt war. Zugleich saß Stein von 1961 bis 1972 für die CDU im deutschen Bundestag und nahm dort Funktionen im Wirtschaftsausschuss wahr. In diesem Zusammenhang wurde Stein daher von vielen Designern achtsam als einen „l’homme politique“ bezeichnet.

Parallel zu diesen Tätigkeiten gründete Stein 1951 zusammen mit Theodor Heuss den Kulturkreis im BDI, den er über mehrere Jahrzehnte leitete. Diese Vereinigung von westdeutschen Industriellen engagierte sich besonders bei der Förderung zeitgenössischer und NS-verfolgter Künstler. Stein selbst war ein ambitionierter Sammler und trug eine reichhaltige Sammlung an Gegenwartskunst in seinem Haus in Honrath bei Bergisch Gladbach zusammen. Seit 1958 übernahm er verschiedene Lehraufträge an der Kunstakademie Düsseldorf. Soweit es aus den Akten in Düsseldorf hervorgeht, scheint er vor allem Exkursionen für Studierende in nordrhein-westfälische Kunstmuseen oder zu sich nach Honrath angeboten zu haben. 1963 wurde er darüber hinaus zum Professor für die Soziologie der Künste berufen. Für den deutschen Bundestag gründete Stein eine eigene Kunstsammlung. Gleichzeitig förderte er den westdeutsch-israelischen Austausch und bereiste mehrmals das Heilige Land. Dabei setzte er sich Anfang der 1970er Jahre mehrmals für eine bundesdeutsche Designausstellung in Israel ein, die jedoch nie zu Stande kam. Einer der Gründe war, dass westdeutsche Industrieunternehmen Boykottaufrufe gegen ihre Waren fürchtete, wenn diese in Israel gezeigt werden würden. Neben diesem transnationalen Engagement war er zeitweise Vorsitzender der Freiherr von Stein-Gesellschaft, einem Vorfahren von ihm.

Gleichzeitig zu seinem Engagement für zeitgenössische Kunst beteiligte sich Stein bei drei Designinstitutionen. Er war Mitbegründer des Gestaltkreises im BDI 1965 und dort als Geschäftsführer besonders für die Spendenakquirierung sowie finanzielle Zuwendungen zuständig. In diesem Kreis kamen ähnlich wie im Kulturkreis westdeutsche Industrielle zusammen, die für verschiedene Designinstitutionen und -aktivitäten in der Bundesrepublik spendeten. Darüber hinaus war Stein beim Rat für Formgebung von 1968 bis 1973 als geschäftsführendes und später als normales Vorstandsmitglied aktiv. Dazu führte Stein ebenfalls ab 1969 das IDZ Berlin bis zur Berufung von François Burkhardt 1971 und saß auch dort in den zentralen Leitungsgremien. Als Jurist, Kaufmann, Politiker und Lobbyist besaß Stein keine praktischen Fähigkeiten im Designbereich, jedoch engagierte er sich vielfach für die sogenannte Designpolitik in der Bundesrepublik. Er bezog daher immer wieder zu designspezifischen Themen Stellung (konventionelle bzw. XML-basierte Design-Bibliographie) und setzte sich bei anderen Politikern für Aspekte der industriellen Formgebung über alle Parteigrenzen hinweg ein. Für eine bundesdeutsche Designgeschichte ist Stein deshalb wichtig, da er als Akteur bei vielen Designinstitutionen in den 1960er und 1970er Jahren tätig war. Neben Ernst Schneider und Philip Rosenthal war er einer der zentralen Persönlichkeiten an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Design.

Ernst-Jörg Kruttschnitt hatte Gustav Stein daher als „Wirtschaftspolitiker, Parlamentarier, Kunst- und Designförderer [und als] ein Mann der Aufbaujahre der Bundesrepublik“ bezeichnet. 1 Stein verstarb 1979 auf der Jahressitzung des Kulturkreises in Lüneburg. Die Anzahl der Trauerbekundungen für Stein und deren prominenten Autoren ist beachtenswert:

von Bohlen und Halbach, Berthold (1979): Trauerrede für Gustav Stein, in: Gustav Stein zum Gedanken, hrsg. vom Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., Köln.
Braun, Günter und Burkhardt, François (1979): Todesanzeige Gustav Stein, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 26.10.1979.
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (1979): Todesanzeige Gustav Stein, in: Handelsblatt, vom 24.10.1979.
Carstens, Karl (1979): Beileid zum Tode von Professor Stein, in: Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, vom 26.10.1979.
Giachi, Arianna (1979): Ein Kunstfreund – Zum Tode von Gustav Stein, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 23.10.1979.
von Hassel, Kai Uwe (1979): Trauerrede für Gustav Stein, in: Gustav Stein zum Gedanken, hrsg. vom Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., Köln.
Kulturkreis im BDI und Gestaltkreis im BDI (1979): Todesanzeige Gustav Stein, in: Handelsblatt, vom 24.10.1979.
Rat für Formgebung (Hrsg.) (1979): Tätigkeitsbericht 1978-1979, Darmstadt.
Rosenthal, Philip (1979): Todesanzeige Gustav Stein, in: form (88), S. 79.
– (1979): Todesanzeige Gustav Stein, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 26.10.1979.
Wagner, Herbert H. (1979): Eine großzügige Förderung für die gesamte Kunst, in: Handelsblatt, vom 23.10.1979.

Im Jahr 1983 wurde eine Mappe mit 34 Graphiken und einer Gesamtauflage von 150 Stück produziert. Sie trägt den Titel „Hommage à Gustav Stein“ und sollte als künstlerische Erinnerung an Steins lebenslanges Engagement verstanden werden.

Die Überlieferung zu Gustav Stein ist vergleichsweise schlecht. In dem Archiv für Christlich-Demokratische Politik, dem BDI-Archiv, dem Archiv des Deutschen Bundestags und dem Archiv der Kunstakademie Düsseldorf lassen sich zwar vereinzelt Quellen zu Stein finden, qualitativ und quantitativ sind diese jedoch vergleichsweise unbefriedigend. Ob ein persönlicher Nachlass von Gustav Stein existiert, ist leider nicht bekannt.

1) Kruttschnitt, Ernst Jörg (1973): Das Porträt: Stein – der anstieß, in: design report, vom 27.04.1973.