Hybrid Tbilisi – Review on an Architecture Exhibition in Frankfurt 2018

The German Art History Journal „Kunstchronik“ now published in the volume 72/4 a review article by Nanobasvhili and Grossmann about the past architecture exhibition „Hybrid Tbilisi“ in the German Architecture Museum Frankfurt. The article is dealing with the main theses of the exhibition on Georgian Architectural History from the Russian Occupation since the 19th century till the current times. The exhibition was part of a couple of major events during the Frankfurt Book Fair 2018, where the Republic of Georgian was the Guest of Honor with the slogan „Georgia – Made by Characters„.

Panorama View via Tbilisi in the north direction over a houses till the horizon during sunset

Full of Architecture – Panorama View over Tbilisi in Sunset

Neues zur Typographie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – Zwei lesenswerte Dissertationen zum Graphik-Design

In der Zwischenkriegszeit kam es im Bereich des Graphik-Designs zu einer neuen Stilrichtung. In der turbulenten Zeit nach dem 1. Weltkrieg entwickelte sich im deutschsprachigen Raum die sogenannte Neue Typographie. Zuerst versuchten bildende Künstler wie beispielsweise der Bauhäusler László Mohoy-Nagy das Genre der Gebrauchsgraphik zu einer Kunstform zu erheben. Typographen wie beispielsweise Jan Tschichold nahmen solche Ideen auf und versuchten daraus ein eigenes Zeichensystem zu entwickeln.

Symbolbild: Arbeitsplatz des Grafikers und Buchillustrators Prof. Werner Klemke in Berlin-Weißensee, Bundesarchiv, 183-Z0107-019, Katja Rehfeld, Katja, CC-BY-SA 3.0

Ziel war es für die Produktion von Druckgraphiken Thesen zu formulieren, durch welche die graphische Gestaltung von Druckerzeugnisse an die veränderten, besonders die beschleunigten Drucktechniken angepasst werden konnten. Es sollten dabei idealiter beispielsweise nur vergleichsweise wenig Schriftarten verwendete. Die Graphik-Designer erhofften sich dadurch etwa einen einheitlicheren Satzspiegel. Insgesamt lässt sich daher das erste Drittel des 20. Jahrhunderts als eine Phase der Selbstkonstituierung der graphischen Berufe in Deutschland interpretieren.

Zwei lesenswerte Dissertationen zu dieser Entwicklung in der Designgeschichte sind in jüngerer Zeit erschienen. Daniela Stöppel analysiert in ihrer Arbeit von 2014 visuelle Zeichensysteme der Avantgarden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.1 Julia Meer hinterfragt während dessen die Neue Typographik anhand den publizistischen Äußerungen ihrer Akteure.2

Die Münchner Kunsthistorikerin Daniela Stöppel untersucht in ihrer Arbeit die visuellen Zeichensysteme bei gestalterischen und ideologischen Diskursen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie zeigt dabei wie Künstler nach 1900 versuchten universelle Zeichensysteme zu entwickeln. Ein Beispiel hierfür sind etwa Mondrian, Malewitsch und Kandinsky für das abstrakte Bild als elementares Zeichensystem. Besonders im drittel Kapitel über „Zeichensysteme der visuellen Kommunikation“ geht Stöppel auf Aspekte der Designgeschichte ein und beschäftigt sich etwa mit den Arbeiten von Walter Dexel sowie den Akteuren am Bauhaus und Hans Burchartz. Besonders gelungen ist hierbei der Blick nach Osten, der von der „üblichen“ eurozentrischen Perspektive vieler Untersuchen abweicht. Dank der Analyse der sowjetischen Entwicklungen kann Stöppel eine Brücke schlagen hin zu den Entwicklungen, welche die Graphiker in Mitteleuropa zeitgenössisch prägten. Besonders erwähnenswert ist auch die äußerst gelungene graphische Gestaltung der ganzen Publikation, die im Verlag Silke Schreiber erschienen ist.

Die Berliner Kommunikationsdesignerin Julia Meer verspricht in ihrer Dissertation einen neuen Blick auf die Neue Typographie der 1920er Jahre. Ihre zentrale These ist hierbei, dass die „Neue Typographie“ für die Zeitgenossen wirklich neu war. Ebenso wurde diese neue Art der graphischen Gestaltung nicht etwa wegen einem vermeintlichen Bezug zur Moderne abgelehnt. Die wesentlichen Akteursgruppen sind hierbei die Protagonisten des Graphik-Designer. Diese Profession begann sich in Deutschland ungefähr nach der Jahrhundertwende zu professionalisieren, was Meer als roten Faden für ihre Studie ausgewählt hat. Besonders die Rezeptionsgeschichte zum Graphik-Design der Zwischenkriegszeit und gewissermaßen eine „Ent-Mystifizierung“ der Rolle Tschicholds empfand ich als lesenswert.3 Dass die Studie lediglich basiert auf Fachzeitschriften basiert, hat mich als Zeithistoriker überrascht, da ich beim Lesen der Arbeit mehr Archivrecherchen erhofft habe. Besonders in einer föderalen Staatlichkeit ließen sich beispielsweise bei Gewerkschaften, Gewerbeämtern, oder Unternehmensverbänden noch Punkte ergänzen können. Nichtsdestotrotz ist Meers Dissertation auf inhaltlicher und sprachlicher Ebene äußerst lesenswert. Die Mystifizierung und Selbstdarstellung von Akteuren zu dekonstruieren, kann auch in der Designgeschichte äußerst spannend sein.

 

1 Daniela Stöppel, Visuelle Zeichensysteme der Avantgarden 1910 bis 1950. Verkehrszeichen, Farbleitsysteme, Piktogramme, München 2014, Silke Schreiber Verlag, zugl. Diss. Ludwig-Maximilians-Universität München 2008.

Julia Meer, Neuer Blick auf die Neue Typographie – Die Rezeption der Avantgarde in der Fachwelt der 1920er Jahre, Bielefeld 2015, zugl. Diss. Bergische Universität Wuppertal.

Zum Punkt „Ent-Mystifizierung“ sei auch ein Querverweis auf ein Buchprojekt von Meer zur Bedeutung von Frauen in der Designgeschichte erlaubt: „Women in Graphic Design 1890-2012“, hrsg. von Gerda Breuer und Julia Meer, Berlin 2012.

Industriedesign und Kunst auf der documenta in Kassel

Heute eröffnet mit der documenta XIV eine der wichtigsten Ausstellungen für zeitgenössische Kunst. Auch für die Designgeschichte in der Bundesrepublik war diese Ausstellungs-Serie zwischen den 1960er und 1990er Jahren immer wieder eine hervorgehobene Bedeutung.

Die 1955 erstmals ausgerichtete documenta verstand sich während der sogenannten Wiederaufbauphase der Bundesrepublik besonders für zeitgenössische Kunst. Auf der documenta III im Jahr 1964 wurde erstmals auch ,Design‘ präsentiert. Denn parallel zu der regulären Ausstellung zeigten Arnold Bode und seine Mitorganisatoren in der Räumen der Werkkunstschule Kassel Arbeiten aus den Themenbereichen ,Graphik‘ und ,Industrial Design‘. Die Verwendung eines anglo-amerikanische Begriff für die industrielle Formgestaltung war damals in der Bundesrepublik relativ neu. Neben Werke von damals schon international bekannten Gestaltern wie Mies van der Rohe, Arne Jacobsen, Charles Eams und Gerrit Rietveld wurde ebenfalls Arbeiten aus dem bereich des technischen Industriedesigns gezeigt. Hierbei wurden Investitionsgüter, Brücken und Büromaschinen von Marcello Nizzoli, Eliot Noyes oder Klaus Flesche ausgestellt. Für den Kurator und damaligen Leiter der Neuen Sammlung München Hans Eckstein war bei dieser Präsentation besonders wichtig, dass bei der Gestaltung von Gebrauchsgegenständen eben keine ,Kunst‘ angewendet werde sondern vielmehr eine sogenannte Ingenieurskunst wirken müsse.1

Eine solche Darstellung wie von Eckstein war Mitte der 1960er Jahre für zeitgenössische Designdiskurse nicht untypisch, betonten doch beispielsweise die Dozent_innen und Studierende der HfG Ulm, dass Design eben keine Kunst sei. Als Konsequenz daraus wurde ,Design‘ in Kassel die nächsten beiden Jahrzehnte nicht mehr gezeigt. Arnold Bode versuchte zusammen mit Robert Gutmann 1972 ,Design-Expo‘ in West-Berlin zu organisieren. Grundgedanke hierfür war es parallel zu den olympischen Spielen 1972 in München und der documenta V eine international ausgerichtete Präsentation zur Produktgestaltung zeigen zu können. Nach internen Probleme bei der Organisation übernahm Herbert Lindinger im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft die weitere Planung der ,Design-Expo‘. Letztlich wurde das Projekt aber durch die sowjetische Militärverwaltung gestoppt, die eine solche internationale Ausstellung der Bundesrepublik in West-Berlin als eine Neutralitätsverletzung des Status von Berlin sah.

Bei der documenta VI im Jahr 1977 wurde dann Gerhard Bott, damals Generaldirektor der Kölner Museen, mit einer Design-Ausstellung in Kassel parallel beauftragt. Seine Präsentation „Utopisches Design“ erschien beispielsweise der Designjournalistin Elke Trappschuh jedoch schlicht verwirrend und teilweise fehlgeleitet.2 Es war daher wenig verwunderlich, dass diese Darstellung von Produktgestaltung von den zeitgenössischen Designern kaum wahrgenommen wurde.

Erst im Jahr 1987 zeigte die documenta VIII wieder Design. Beauftragter hierfür war Michael Erlhoff, der später fachlicher Leiter des Rats für Formgebung und dann Professor für Designtheorie in Köln werden sollte. Im Kontext von postmodernen Gestaltungsdebatten, die seit dem „Design-Forum Linz“ von 1980 die Profession prägte, verschwammen wieder die Grenzen zwischen ,Design‘ und ,Kunst‘. In seinen fünf Thesen zum Design betonte Erlhoff daher auch, dass „von seiten der Kunst wie von seiten des Design die Abgrenzungen zwischen beiden Bereichen ins Wanken“ geraten seien.3 Akteure wie Stefan Wewerka die bewusst an der Schnittstelle zwischen beiden Teilbereichen agierten, symbolisierten solche Perspektiven recht anschaulich.

Pavillon von Stefan Wewerka für die documenta VI, Photographie von Rüdiger Wölk, CC BY-SA 2.5

Die Anwesen- und Abwesenheit von Produktgestaltung auf der Kasseler documenta ist daher ein anschaulicher Indikator dafür, wie das Verhältnis von Design und Kunst von zeitgenössischen Akteuren zwischen den 1960er und 1990er Jahren immer wieder neu gedacht und verhandelt wurde.
1) Hans Eckstein (1964): Unsere Gegenstände – Zur Eröffnung der Design-documenta, in: form (27), S. 2.
2) Elke Trappschuh (1977): documenta 6: „Utopisches Design“, in: form (79), S. 40.
3) Michael Erlhoff (1987): 100 Tage in Kassel: Kunst und Design zur d8, in: form (118), S. 22.

Designgeschichte aus Afrika mit der Münchner Ausstellung „Flow of Forms/Forms of Flow“

Gegenwärtig zeigt eine Ausstellung in München aktuelle Designpraxen in Afrika. Designhistoriographische Rückblicke haben die Kuratorinnen ebenfalls eingebaut, auch wenn sie nicht den Schwerpunkt dieser Ausstellung bilden. Der Untertitel „Designgeschichten zwischen Afrika und Europa“ bezieht sich somit vielmehr auf der Kontextualisierung verschiedener Designobjekte der Gegenwart. Unter der Konzeption der Kunsthistorikerin Prof. Dr. Kerstin Pinther und der Designerin Alexandra Weigand haben Studierende am Institut für Kunstgeschichte der LMU München diese Ausstellung verwirklicht. Ausgehend von einem zweisemestrigen Seminarprojekt beschäftigten sie sich mit der aktuellen Gestaltung auf dem afrikanischen Kontinent. Eine solche Lehrveranstaltung hat sicherlich viele Vorzüge für Studierende, da dadurch praktische Erfahrungen gesammelt und zugleich konkrete Umsetzungsfragen bearbeitet werden können.

Insgesamt vier Institutionen zeigen die Ausstellungsstationen von „Flow of Forms“: der Kunstraum, das Museum der fünf Kontinente, die Galerie Karin Wimmer und das Architekturmuseum der TU München. Man würde in diesem Zusammenhang auch die Neue Sammlung erwarten, die leider nicht dabei ist. Prominente Geldgeber wie die Kulturstiftung des Bundes, das Kulturreferat der Landeshauptstadt München, die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung und viele weitere haben die Finanzierung des Ausstellungsprojekts übernommen.

Die Ausstellung wird digital durch einen WordPress-Blog begleitet, auf dem die Studierenden im Laufe der Zeit verschiedene Texte zu den präsentierten Designobjekten veröffentlichen. Ebenfalls sehr gelungen sind die umfangreichen Broschüren als Ausstellungsbegleitung. Sowohl die graphische Gestaltung als auch vielfach die Texte selbst wissen zu überzeugen. Obwohl die englische Überschrift eine Mehrsprachigkeit suggeriert, ist die Ausstellung und das begleitende Textmaterial auf Deutsch.

 

„Formen der Kooperation/Partizipation“ im Kunstraum München

photo-05-02-17-14-23-56Die Station im Kunstraum widmet sich sozialen und politischen Dimensionen des Designs. Mit Victor Papanek beginnen die Kuratorinnen dabei ihre Darstellung von Do-it-yourself-Konzepte. Diese gängige DIY-Designgeschichtsschreibung erweitern sie durch einen Sprung in die Gegenwart. Mit Gestaltungsobjekten, die in Kooperation zwischen afrikanischen und europäischen Designern entstanden sind, verdeutlichen sie die Existenz verschiedener Formen der Design-Kooperationen in Afrika. Diese Projekte wirken vielfach wie Best-Practice-Beispiele für eine gelungene Verflechtungen zwischen Gestaltern und Architekten.

„Formen der Moderne“ im Museum der fünf Kontinente

photo-05-02-17-15-02-36Die Station im Museum der fünf Kontinente ist dominiert von der Reflektion über die eigene Institutionsgeschichte. Diese sehr gelungen Sektion thematisiert zuerst die Bedeutung von Formen aus Afrika (aber auch Ozeanien) für europäische Gestalter seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Anhand von eigenen Ausstellungen wird dann rekapituliert, welche Relevanz ethnographische bzw. „völkerkundliche“ Museen seit der Weimarer Republik bei der Vermittlung von Formen auf Afrika einnehmen. Mit Bespielen von aktuellen Arbeiten aus dem Graphik- und Textil-Design veranschaulichen dabei die Kuratorinnen, wie sich eine koloniale Vergangenheit in gegenwärtigen Gestaltungsprojekten wiederfindet.

„Stoff-Wechsel“ in der Galerie Karin Wimmer

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Photographie von Nino Nanobashvili

Bei der Ausstellungssektion in der Galerie Karin Wimmer befindet sich alles im Fluss oder – laut dem Begleittext – im „flow“. Hierbei stehen die Materialität und deren Neuanordnung von einzelnen Gestaltungsobjekten im Vordergrund. Unklar bleibt dabei, was unter „Stoff“ verstanden wird. Bezieht sich dies auf Textile oder doch jegliche Materialien? Analogien mit Stoffwechseln im biologischen Sinne bestehen zumindest nicht. Das Leitthema „Stoffwechsel“ lässt sich daher nur mit Mühen in den präsentierten Objekten wiederfinden. Inwiefern Stoffwechsel laut Textband ein Ausdruck für „Modernisierung, Demokratisierung, Nobilitierung und Reevaluierung [sind und auf] Materialinnovation und neue Fertigungstechniken sowie auf Entwurfspraktiken in einem globalen, transkontinentalen Kontext“ verweisen, war für mich persönlich wenig schlüssig und trug teilweise zur Verwirrung bei.

„Spekulative Formen“ und „Transform(N)ation“ im Architekturmuseum der TU München

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Photographie von Nino Nanobashvili

Das Architekturmuseum ist die einzige Institution, die gleich zwei Ausstellungsstationen – in einem verhältnismäßig kleinen Raum – zeigt. Mit „Transform(N)ation“ wird zuerst die Bedeutung von Design in den Jahren der afrikanischen Unabhängigkeitsbewegungen thematisiert. Das Wortspiel „Transform(N)ation“ wirkt dabei zwar bemüht, aber die gezeigten Bespiele wie etwa eine Hotelarchitektur oder Zeitschriften veranschaulichen bildhaft die Bedeutung von Objektgestaltung bei einer Nationenbildung. In der Sektion „Spekulative Formen“ wird hingegen gezeigt, dass die Formgebung gängige Lösungen hinterfragen kann und zugleich die Macht besitzt, neue Wege aufzuzeigen. Das Solar Sinter Project von Markus Kayser transformiert etwa den vergleichsweise lebensfeindlichen Raum einer Wüste in eine resourcenreiche Umgebung mit einem beeindruckenden Ergebnis.

 

Die Ausstellung „ Flow of Forms/Forms of Flow – Designgeschichten zwischen Afrika und Europa“ in München ist eine beachtenswerte und erfolgreiche Ausstellung zur Gestaltung in Afrika. Sowohl das Format, die verschiedenen Stationen als auch die Texte sind den Kuratorinnen als auch den Studierenden sehr gelungen. Es ist daher bedauernswert, dass die Ausstellung nur insgesamt fünf Woche bis Mitte März 2017 zu sehen ist.

Für mich persönlich interessant war dabei, wie sehr aus einer kunsthistorischer Perspektive ,Design‘ präsentiert wird. Dieser etablierte Zugang hat viele Stärken und ermöglicht etwa einen sinnvollen Vergleich mit Objekte aus anderen kulturellen Kontexten. Unter Gestaltung wird dabei jedoch meist „Kunstgewerbe“ und Architektur verstanden. Die Produktgestaltung mit hohen Stückzahlen als auch Investitionsgüterdesign existiert vermeintlich nicht. ,Design‘ wird dadurch vielmehr mit dem Label „l’art pour l’art“ belegt und aus einem kommerziellen bzw. industriellen Kontext entnommen.

Wenn man Kritikpunkte in der Ausstellung suchen würde, dann wirkt der Kontinent bei der ganzen Vielfalt von afrikanischen Designgeschichten seltsam einheitlich. Afrika erscheint als relativ monolithischer Block ohne nennenswerte lokale oder nationale Spezifika. Eine Differenzierung der verschiedenen Regionen war zumindest für mich wenig ersichtlich. Möglicherweise ist diese Fragestellung aber auch für weitere Ausstellungsprojekte und hätte bei „Flow of Forms/Forms of Flow“ den inhaltlichen Rahmen gesprengt.

Daher kann ich insgesamt ein Besuch der fünf Ausstellungsstation nur weiterempfehlen!

Das Allunions-Forschungsinstitut für technische Ästhetik der UdSSR

1962 wurde das Allunions-Forschungsinstitut für technische Ästhetik kurz VNIITE (Всероссийский научно-исследовательский институт технической эстетики kurz ВНИИТЭ) in Moskau gegründet. Unter der Direktion von Juri Solowjew (1920-2013) war das VNIITE für die Gestaltung technischer Produkte in der UdSSR zuständig. Am VNIITE sollten sowohl eigene Designprodukte geschaffen werden, als auch eine technische Ästhetik weiterentwickelt werden. Zugleich vertrat das VNIITE die Sowjetunion im weltweiten Designerdachverband ICISD.

Das VNIITE war ein sogenanntes „Erste Klasse-Institute“, was bedeutete, dass das Institut mit einigen Privilegien ausgestattet war. Beispielsweise war die Bezahlung der VNIITE-Mitarbeiter_innen vergleichsweise hoch. Die Bibliothek des VNIITE konnte ohne Einschränkung Fachliteratur – auch aus dem nicht-sozialistischen Ausland – kaufen. Im Laufe der Zeit war der Bücherbestand so hoch, dass die Informationsabteilung des VNIITE eine Zweigstelle für Design der staatlichen Bibliothek der UdSSR wurde. Parallel dazu war das VNIITE ebenso verantwortlich für die Organisation und Konzeption von Design-Ausstellungen. Die erarbeiteten Ausstellungen wurden nicht nur in der Sowjetunion gezeigt, sondern wanderten ebenso durch Westeuropa. Beispielsweise zeigte 1976 das Design-Center Stuttgart mit „Der sowjetische Designer“ zum ersten Mal eine Ausstellung aus der UdSSR in der Bundesrepublik.

Neben der Bereitstellung und Verbreitung von Designinformationen besaß das VNIITE auch Abteilungen, welche sich mit der konkreten Gestaltungsaufgaben beschäftigten: 1. Technische Güter, 2. Alltagsgegenstände, 3. Verkehrsmittel und später 4. Ergonomie. Gleichzeitig gab es am VNIITE eine Theorieabteilung, in welcher Kunsthistoriker, Historiker, Architekturhistoriker und Methodologen arbeiteten. Hier sollten Grundlagen für ein wissenschaftlich-technisches Vorgehen im Designprozess gelegt werden. Neben sowjetischen Theoretiker bezog man sich ebenso auf ausländische Denker wie John Ruskin, Heinrich Wölfflin, William Morris oder Gottfried Semper.

Neben der Zentrale in Moskau unterhielt das VNIITE noch mehrere Außenstellen in den verschiedenen Teilrepubliken: Baku, Charkow, Jerewan, Kiew, Leningrad, Minsk, Riga, Swerdlowsk, Tallinn, Tbilisi und Vilnius. Diese Dependancen bearbeiteten meist Gestaltungsaufgaben für regionale Industriezweige und waren daher meist auf Sparten der Konsum- und Investitionsgüterbranche spezialisiert, wie die Automobil- oder Schienenverkehr. Eines der erfolgreichsten Produkte war die Straßenbahn KTM-5, die durch das VNIITE gestaltet worden war. Ein weiteres bekanntes Ergebnis war beispielsweise eine Konzeptstudie für ein Taxi von 1964, dass nach neuesten Erkenntnissen der Ergonomie gestaltet worden war, siehe hierzu den Werbefilm:

International besonders in Erscheinung getreten war das VNIITE als Organisator des ICSID-Kongresses von 1975. Zu dem Tagungsthema „Design für den Menschen und die Gesellschaft“ versammelten sich über 1.000 internationale Designer_innen aus Ost und West im Moskauer Hotel „Rossija“ und besprachen 5 Themenkomplexe: „Design und Staat“, „Design und Wissenschaft“, „Design und Arbeit“, „Design für Kinder“ und „Design und Freizeit“. Aus deutscher Perspektive war besonders spannend die Tagungssektion „Design und Staatspolitik“, auf der Juri Solowjew (VNIITE Moskau), François Burkhardt (damals IDZ West-Berlin), Tomás Maldonado (Università di Bologna) und Martin Kelm (damals AIF Ost-Berlin) ihre Argumente austauschten. Zwar stand der ICSID-Kongress 1975 unter dem Zeichen einer Entspannung im Kalten Krieg, ohne einen diplomatischen Skandal lief jedoch auch diese Veranstaltung nicht ab. Die UdSSR verweigerte den ICSID-Delegationen aus Israel, Südafrika, Taiwan und Südkorea die einreise. Daher musste die IX. Generalversammlung des ICSID im Herbst 1975 in Brüssel nachgeholt werden. Aber laut Bericht der DDR-Delegation konnten „provokatorische Ansichten seitens westlicher Vertreter nicht festgestellt werden“.