Die „Designer-Ausbildungskrise“ der 1970er Jahre

Es heißt jede Generation müsse eine Bildungsreform durchstehen. Anfang der 1970er Jahre traf es die angehenden Designer_innen. Im Kontext einer einsetzenden Professionalisierung des Berufs „Industriedesigner“ in den 1960er Jahren, kombiniert mit der Auflösung der Werkkunstschulen sowie der Neugründung von Fachhochschulen, war das „Bildungschaos“ für die westdeutschen Gestalter perfekt. Folgerichtig wurde seit spätestens 1973 von einer „Designer-Ausbildungskrise“ gesprochen.

Die Ausbildung zum Industriedesigner erfreute sich seit den 1960er Jahren zunehmend an Beliebtheit. Die steigende Zahl an Studierenden ging jedoch nicht einher mit verbesserten oder veränderten Ausbildungsmöglichkeiten. Vielmehr versuchte jede Kunsthochschule oder Werkkunstschule ihre eigenen Curricula zu entwickeln. Meist gingen die neuen Studiengänge aus ehemaligen Metall-, Holz- oder Schmuckklassen hervor. Neue Formen einer Designvermittlung kamen dabei nicht immer heraus, vielmehr wurde versuchte die alten Ausbildungswege den neuen Gegebenheiten anzupassen.

Die Auflösung der Werkkunstschulen und die Überführung in Fachhochschulen bzw. Gesamthochschulen führte zu einer weiteren Differenzierung der Designer-Ausbildung. Die insgesamt 24 Fachhochschulen (Stand 1973) boten völlig unterschiedliche Prüfungsmodalitäten an. War bei einer Schule ein Studium ohne Abitur möglich, so war beispielsweise das Abitur – neben einer praktischen Zulassungsarbeit – bei einer anderen Fachhochschule eine Zugangsvoraussetzung. Die Studiendauer variierten von sechs bis acht Semester, ebenso die Anzahl der nötigen Praxissemester bzw. Praktika. Darüber hinaus wurden zwei Abschlüsse vergeben: der „Designer grad.“ und der „Dipl. Designer“. Im Endergebnis schwankte die Qualität der Design-Ausbildung deutlich.

Die bundesdeutsche Wirtschaft begannen seit Ende der 1960er Jahre verstärkt Industriedesigner_innen in ihre Unternehmen zu integrieren. Gleichzeitig war es für die Industrie schwierig, geeignete Gestalter zu finden. Die unklaren Ausbildungsprofile der Industriedesigner waren hierbei mehr als nur kontraproduktiv. Um diese beheben zu können, beauftragte der Rat für Formgebung die Frankfurter Journalistin Dr. Arianna Giachi (1920-2011) mit einer Studie über die gegenwärtige Ausbildungssituation der Designer. Daraus sollten Handlungsanweisungen abgeleitet werden, um die „Designer-Ausbildungskrise“ überwinden zu können.

Anschließend versuchte der VDID zusammen mit dem Rat für Formgebung und der Kultusministerkonferenz eine bundesweite Vereinheitlichung des Industriedesigner-Studiums anzustreben. Hierzu wurde zuerst vorgeschlagen, sich auf nur fünf Ausbildungsinstitutionen zu konzentrieren. Bildung in der Bundesrepublik war Ländersache, daher wurde dieser Vorschlag rasch wieder fallengelassen, weil die jeweiligen Kultusminister landeseigene Ausbildungsorte stärken, aber nie schließen wollten. Einer „Ständigen Konferenz für den Studiengang Industrial Design“ unter der Leitung von Arno Votteler gelang es im Laufe der 1970er Jahre, dass sich die Ausbildungsorte auf ein einheitlicheres Studium des Industriedesigns einigten. Trotz länderspezifischer Charakteristika konnte man seit Ende der 1970er Jahre in der Bundesrepublik Industriedesign studieren, ohne dass dabei die Studieninhalte zwischen Kiel und Freiburg völlig unterschiedlich waren.

„Design – Vorausdenken für den Menschen“ 1984 – Zu Gast bei Verwandten

Die innerdeutsche Mauer war für einen Designaustausch nicht so durchlässig, wie man vordergründig erwarten würde. 1984 kam es zu einer innerdeutschen Primäre: im Kontext des gegenseitigen Kulturaustauschs präsentierte der Rat für Formgebung eine Ausstellung zu westdeutschem Design in Ost-Berlin und später 1985 auf der Leipizger Herbstmesse. Dies war die erste Vorführung von deutschem Design in dem „anderen Deutschland“. Unter dem Titel „Design – Vorausdenken für den Menschen“ kamen ca. 100.000 DDR-Bürger_innen, um sich über industrielles Design aus der Bundesrepublik in der Ausstellungshalle des Internationalen Handelszentrums in (Ost-)Berlin zu informieren. Der Spiegel zitierte dazu halb herablassend halb anerkennend zwei Besucher: „“Da könn‘ unsre noch wat lernen“, meint ein junger Mann im Parka, „det ist nich so piefig.“ Und seine Begleiterin bedauert: „Ankucken könn‘ wa, aba koofen is neese.““

Leipzig Herbstmesse 1985: Staatssekretär Prof. Dr. Martin Kelm eröffnete im Dimitroff-Museum die Design-Ausstellung aus der BRD, Bundesarchiv, B 145 Bild 183-1985-0903-116, von Waltraud Grubitzsch, CC-BY-SA 3.0

Martin Kelm als Leiter des Ostberliners Amts für industrielle Formgebung der DDR (im Bild am Mikrophon) und der Präsident des westdeutschen Rats für Formgebung Philip Rosenthal (im Bildzentrum mit schwarzem Hemd) sprachen jeweils die einleitenden Worte zu dieser Ausstellung. Rosenthal betonte dabei in seiner Rede, dass trotz unterschiedlicher politischer und wirtschaftlicher Meinungen in beiden Staaten, das AiF und der RfF wegen der Förderung einer guten Form „Alliierte im Design“ seien. In der Tat funktionierte die Zusammenarbeit bei dieser Ausstellung zwischen AiF und RfF reibungslos.

Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in (Ost-)Berlin fasst die Ausstellung in einem Schreiben an das Bundeskanzleramt bzw. Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen wiefolgt zusammen: „Das Interesse an der Ausstellung war groß; sie wuchs sich aber nicht zu einem spektakulären Ereignis aus. Die Präsentation blieb sachlich-unprätentiös und wirkte in keiner Weise protzig oder überheblich. Es ist anzunehmen, dass diese Haltung gerade angesichts des Vorsprungs des Industriedesigns in der Bundesrepublik Deutschland von der DDR genau zur Kenntnis genommen wurde.“

Für die Bundesrepublik war diese Ausstellung ein großer Erfolg der Deutschlandpolitik, für die DDR war es ein gelungener Kulturaustausch. Daher wurde im Gegenzug zu dieser Ausstellung 1988 im Stuttgarter Design-Center die Ausstellung „Design in der DDR“ gezeigt.

Sound & Film History – Erfahrungen mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkarchiven

Seit Anfang 2014 und nach längeren Verhandlungen ist der Zugang für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkarchive einheitlich geregelt. Besonders für Recherchen in der Zeitgeschichte sind audiovisuelle Aufnahmen eine relevanter Quellengruppe, die neben „Papier“ helfen können, Aussagen über die Vergangenheit zu formulieren. Zugang zu alten Sendungen und Sendemanuskripten kann jeder erhalten, der an einem wissenschaftlichen Projekt – besonders einer Dissertation – arbeitet und der diesbezüglich auf historische Quellen angewiesen ist (Regeln). Die jeweiligen Ansprechpartner_innen der Sendeanstalten sind in einem .pdf-Dokumenten online einsehbar.

Symbolbild, aufgenommen von Dennis Skley am 29.07.2014, CC BY-ND 2.0

Wie bei allen Archiven sollte bzw. muss man vorab einen schriftlichen Antrag stellen, in dem das eigene Forschungsprojekt erläutert wird. Hinzu kommt die eigene Fragestellung, welche audiovisuelle Quellen man sich erhoffen könnte bzw. welche Schlagwörter für das Projekt interessant sind. Beispielweise finden sich in vielen Sendedatenbanken Beiträge zu dem für mich relevanten Rat für Formgebung oder dem Deutschen Werkbund. Je nach Personal- und Finanzressourcen sind Teilbestände der Rundfunkanstalten schon digitalisiert. Leif Kramp hat jüngst dazu eine gute Einschätzung der Situation sowie eine Übersicht zu den verschiedenen Programmanstalten geliefert. Es besteht gelegentlich die Chance, dass eine digitale Kopie einer Sendung oder einer Mitschrift spezifisch nur für das eigene Forschungsprojekt zur Verfügung gestellt wird. Falls eine digitale Archivierung nicht vorliegt, ist meist die Recherche vor Ort möglich. Eine Sendungskopie kann man ebenso erstellen lassen, dies ist jedoch vergleichsweise kostspielig und für Nachwuchswissenschaftler daher – leider – kaum möglich. Meine Erfahrungen mit den Rundfunkarchiven und der Benutzerberatung sind bis jetzt überwiegend positiv. Schlechte Erfahrungen habe ich dankenswerterweise bis jetzt, wie auch bei anderen Archiven, – außer in NRW – nicht machen müssen.

Es muss jedoch nicht immer ein Rundfunkarchiv sein, auch die Filmothek des Bundesarchivs besitzt viele Sendungsmitschnitte aus Kinowochenschauen oder Auftragsproduktionen des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung. Dies hier ist beispielsweise ein Beitrag der Ufa-Wochenschau zum Bundespreis „Gute Form“ 1973 mit dem Thema Fahrräder (ab 06:53 min oder Frame 4).
Welche spannenden Forschungsarbeiten beispielsweise im Bereich Sound History entstehen können und online besser publiziert sind als gedruckt, zeigt beispielsweise Uta C. Schmidt, die Industriegeschichte im Ruhrgebiet hörbar macht.

Philip Rosenthal in der Designgeschichte

Philip Rosenthal (1982), Bundesarchiv, B 145 Bild-F062779-0019, von Harald Hoffmann, CC-BY-SA de

Vor fast einem Jahrhundert wurde der Unternehmer, SPD-Politiker und Designenthusiast Philip Rosenthal (1916-2001) geboren. Rosenthal war eine der prägenden Persönlichkeiten in der Bundesrepublik. Neben seinen vielen Erfolgen als Vorstandsvorsitzender sowie später als Aufsichtsratsvorsitzender der väterlichen Rosenthal AG in Selb, war er ständig in den verschiedenen Medien präsent. Nicht umsonst wurde kolportiert, dass seine Initialen eben auch für Public Relations standen.

Für die bundesdeutsche Designgeschichte ist Philip Rosenthal trotz oder gerade wegen seiner verschiedenen Tätigkeitsfelder interessant. Jüngst hat Alexandra Siemen-Butz in ihrer Dissertation die Facetten Politik und Unternehmen in Rosenthals Leben herausgearbeitet. Eine dezidierte Analyse seines Engagements im Design fehlt derzeit noch. Diese Lücke werde ich mit einem Kapitel meiner Arbeit füllen. Rosenthal hatte dabei wegen seinen verschiedenen Positionen und

Tätigkeiten eine wichtige Rollen gespielt. Von 1968 bis 1977 war er Vizepräsident und dann von 1977 bis 1986 Präsident des Rats für Formgebung. Darüber hinaus gehörte er dem Vorstand des Gestaltkreises im BDI sowie des IDZ Berlin an und hatte beim Bauhaus-Archiv zeitweilig die Präsidentschaft inne. Gleichzeitig war Rosenthal bei vielen Designer_innen alles außer unumstritten. Seine Mitgliedschaft im Werkbund wurde ihm in Bayern, dem Bundesland seines Wohn- und Dienstortes, verwehrt. Der Werkbund Hessen nahm ihn jedoch auf, vermutlich da der Sitz des Rats für Formgebung in Darmstadt und damit in Hessen lag.

Eine Biographie zu Rosenthal mit einem dezidierten Schwerpunkt auf seine lebenslangen Tätigkeiten und sein Engagement für Design jedweder Art wäre ein faszinierendes Projekt. Rosenthals Leben als Erzählstrang wäre sicherlich möglich und für Leser dank großer Zusammenhänge sowie spannender Details ein Erfolg. Dass seine Biographie auch voller Anekdoten war, veranschaulicht beispielsweise das Radiofeature von Gabi Schlag oder ein Blick in Rosenthals lesenswertes Buch „Einmal Legionär“ von 1980 (Rezension im Spiegel 1981). Das „Vermächtnis des Porzellankönigs“ behütet heute seine ehemalige Lebensgefährtin Beate Reichel in Erkersreuth. Das Schloss ist nicht nur ein eindrucksvoller Wohnraum, wie die Wohnreportage des A&W-Magazines von 2009 zeigen. Eine Untersuchung dieses Domizils mit design- und auch kunsthistorischen Fragestellungen wäre aller Aufwand wert und würde Philip Rosenthal gerecht werden.

Plötzlich ist alles weg

Plötzlich ist alles weg, nichts ist ärgerlicher als das. Besonders trifft dies auf zentrale Institutionen zu. Aktueller Anlass ist meine Suche nach einer Quellenüberlieferung zum „Verband der Deutschen Industrie-Designer“ (VDID). Der Verband wurde 1959 von sieben westdeutschen Industriedesignern in Stuttgart gegründet. Er besteht bis heute, hat viele Mitglieder_innen und ist fest verankert in der bundesdeutschen Designlandschaft. Für die Designgeschichte in der Bundesrepublik, speziell für das Industriedesign, ist der VDID der zentrale Interessenverband. Er war und ist einer der wichtigen Orte, in dem über die Bedürfnisse, Anforderungen, Berufsbilder, Neuerungen und Zukunftsvisionen im Bereich Design diskutiert werden.

So groß die Bedeutung des VDID für eine designhistorische Forschung ist, so schwierig verhält sich sein Quellenkorpus, wobei hier wenigen literarischen und noch weniger archivalischen Überlieferungen entgegenstehen. Auf Bundesebene lassen sich zumindest über die Zeitschrift „form“, welche eine verbandsinterne Beilage des VDID enthielt, und die Zeitschrift „VDID-extra“ (ab 1972) die bedeutendste Entwicklung und Diskussion im Verband nachzeichnen. Hinzu kommen beispielsweise Kataloge zu Ausstellungen, bei denen der VDID bzw. eine VDID-Regionalgruppe mitwirkten, sowie die mehrfach publizierten „VDID Designer Porträts“ in den 1980er Jahren, welche viele Designer_innen des Verbands jeweils kurz vorstellten und öffentlich bekannt machen sollten. Ergänzt wird dies durch wenige historische Arbeiten, wie dies beispielsweise Christian Marquart „Industriekultur – Industriedesign“ 1994 tat. Verbandstypisch werden zu verschiedenen Jubiläen ebenfalls Beiträge publiziert, zuletzt zum 50-jährigen Bestehen des VDID. Diese in der Summe nicht gerade üppige Literatur zum Verband der Deutschen Industrie-Designer ist u.a. in der Bibliothek des Rats für Formgebung oder teilweise in der Neuen Sammlung München problemlos zugänglich. Bedauerlich bei diesem Ganzen ist hingegen eher das Fehlen wichtiger gedruckter Quellen. Pressemitteilungen, Flugblätter und Denkschriften lassen sich so gut wie gar nicht finden.

Wesentlich schlechter ist hingegen die Archivsituation zum VDID. Der Verband hat – meines Wissens – kein eigenes Archiv noch bei einem staatlichen Archiv bzw. einem Museum einen eigenen Bestand. Im Staatsarchiv Ludwigsburg, das einige Akten des Design Center Stuttgart besitzt, als auch im Stadtarchiv Stuttgart finden sich zum VDID höchstens Presseausschnittssammlungen. Auch private Nachlässe scheinen in diesem Punkt wenig weiterhelfen zu können. Im Bestand von Mia Seeger sind kaum Archivalien zur Geschichte des VDID auffindbar. Das Firmenarchiv von Robert Bosch bemüht sich bis jetzt – erfolglos – um Unterlagen, Objekte und Autographen des leider kürzlich verstorbenen Erich Slanys. Als Mitgründer des VDID und prägender Gestalter für Bosch könnte man hier am ehesten noch eine Parallelüberlieferung erwarten. Andere Nachlässe, die durch eine Parallelüberlieferung für die VDID-Historie sein könnten, bestehen bis jetzt noch nicht. Generell existiert eine systematische Sammlung zum VDID in Stuttgart – nach meinem derzeitigen Kenntnisstand – in Stuttgart nicht, obwohl der Verband ja in der baden-württembergischen Landeshauptstadt gegründet und in das dortige Vereinsregister eingetragen wurde. Ob dieser Umstand über längere Zeit so bleibt, ist ungewiss. Für die Designgeschichte in der Bundesrepublik wäre es sicher schon heute wünschens- und erstrebenswert, diese „Quellenlücke“ zum Verband der Deutschen Industrie-Designer zu schließen.