Archiverfahrungen zu dem neuen BASF-Unternehmensarchiv

„Es fällt immer wieder schwer, die Bedeutung der BASF AG als größten europäischen Kunststofferzeuger anhand von praktischen Beispielen eindrucksvoll zu demonstrieren.“ Dieser Auszug aus einem Protokoll der BASF-Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit aus dem Jahr 1969 kann verdeutlichen, weshalb Design für die BASF AG seit Anfang der 1960er zunehmend an Bedeutung gewann. Man versuchte durch Design zwei Punkte zu erreichen: 1.) sollte das eigene Unternehmen nicht mehr als reiner „Rohstoffladen“ verstanden werden, sondern auch durch konkrete Gebrauchsgegenstände in die Gesellschaft hinein wirken. 2.) wurde beabsichtigt durch Design weitere Absatzmöglichkeiten für die eigenen Kunststoffrohprodukte zu erschließen. Diese beiden Punkte werde ich in einem Teilkapitel meiner Doktorarbeit herausarbeiten.

BASF-Besucherzentrum vor dem 2013ff abgerissene BASF-Hochhaus am Tor 2, von Gewetz vom 27. August 2004, GNU-Freie Dokumentationslizenz

Für die Recherche vor Ort bin ich Mitte August in historischen Unternehmensarchiv der BASF AG in Ludwigshafen gefahren. Das BASF-Besucherzentrum am Tor 2 wurde die letzten Jahre aufwendig umgebaut, um ein Museum sowie das Unternehmensarchiv in einem Gebäude zu vereinen. Rechtzeitig zur 150-Jahr-Feier der BASF AG konnte Anfang 2015 der Umzug in das neue Besucherzentrum stattfinden.

Der Umbau des BASF-Besucherzentrums ist wirklich gelungen. Das ganze Gebäude ist auf der einen Seite funktional eingerichtet, zugleich wurde Rücksicht auf die Originalsubstanz des ehemaligen Badehauses für BASF-Mitarbeiter genommen. Der Museumsbereich befindet sich im vorderen Teil des Besucherzentrums, das Unternehmensarchiv im hinteren Teil. Die Räumlichkeiten werden allen Ansprüchen an ein historisches Archiv gerecht. Der Lesesaal für Besucher_innen ist groß, hell, leise und zugleich angenehm temperiert – was leider keine Selbstverständlichkeit bei Archiven ist. Die Arbeitsplätze sind genügend mit Strom- und USB-Buchsen ausgestattet, die Stühle sind zugleich sehr komfortabel. Das Interior des Lesesaals besteht nahezu vollständig aus Vitra-Design. Dies hat mir gezeigt, dass Design auch heute noch für die BASF eine Rolle spielt. Zwei rote Egg Chairs von Fritz Hansen mit einem Beistelltisch runden den Raum als kleine Leseecke gelungen ab.

Lesesaal des BASF-Unternehmensarchivs

Das Archiv selbst besteht aus ca. 3 Kilometer Akten, die nach dem Pertinenzprinzip (thematische Sortierung) aufbewahrt werden. Hinzu kommen noch ca. 30.000 Photographien, 1.500 Gegenstände und eine kleine Sammlung historischer Gemälde. Teile dieser Sammlung lassen sich durch ein Schaufenster von dem Lesesaal aus einsehen. Durch dieses Wechselspiel kann jede_r Besuche_r rasch erahnen, wie reichhaltig die Bestände des Unternehmensarchivs sind. Die Mitarbeiter_innen des Archivs sind jederzeit hilfsbereit und zuvorkommend. Ich fühlte mich bei jedem meiner Besuche durch die dortigen Archivar_innen gut betreut. Größtes Manko ist sicherlich, dass das Unternehmensarchiv kein Findbuch oder eine zugängliche Datenbank besitzt. Die relevanten Archivalien lassen sich daher nur ungefähr über eine grobe Klassifikationsliste einschränken. Im Endeffekt ist man auf die Kenntnisse des Archivpersonals angewiesen, welches mit aber jedes mal mit Geduld und Sachverstand helfen konnte. Wie auf dem ganzen BASF-Werksgelände herrscht auch in dem Unternehmensarchiv ein striktes Photographierverbot.

Die Verpflegungssituation auf dem Werksgelände ist für Besucher_innen etwas eingeschränkt, aber ebenfalls im Besucherzentrum finden sich eine große Bäckerei mit einem reichhaltigen Angebot, das für jede_n etwas bereithalten sollte. Die Anfahrt zum Archiv ist leicht zu finden über das Tor 2 der BASF AG. Dieses ist von der S-Bahnstationen Ludwigshafen Mitte per Straßenbahn gut zu erreichen. Die Linie 7 fährt von dem Berliner Platz – der ein schwieriges bzw. gefährliches „Pflaster“ ist – in Richtung Oppau und hält direkt am Tor 2. Es ist notwendig, dass man sich als Besucher_in frühzeitig um einen Besuchstermin im Archiv bemüht, denn das Unternehmensarchiv selbst ist nicht öffentlich zugänglich. Leider besitzt das Archiv keine eigene Homepage oder Rubrik auf der BASF-Hauptseite, daher kann ich nur auf aktuelle Informationen auf dem Portal der Wirtschaftsarchive verweisen.
Als kleines Fazit kann ich einen Besuch im BASF-Unternehmensarchiv ohne Einschränkungen empfehlen. Speziell für Wirtschaftshistoriker_innen liegen hier sicherlich noch Schätze, die es zu bergen gilt.

[Danke an das BASF-Unternehmensarchiv für die Photographie-Genehmigung des Lesesaals.]

DDR- und BRD-Design – Gemeinsamkeiten und Unterschiede

In aktuellen Debatten rücken Gemeinsamkeiten im Design aus West- und Ostdeutschland verstärkt in den Fokus. Eine Sammlungspräsentation zu dieser Thematik beschäftigt sich derzeit im Neue Museum – Staatliches Museum für Kunst und Design in Nürnberg, in Kooperation mit der Neuen Sammlung München. Ziel dieser kleineren Ausstellung ist es zu zeigen, welche Gegenstände links und rechte der „Mauer“ ganze Generationen prägten.[1] Dabei soll „nicht nur eine Zusammenschau vergleichbarer, gestalterischer Lösungen und übergreifender Phänomene, sondern auch Einblicke in unterschiedliche Herangehensweisen“ entstehen.[2]
Das NMN präsentiert in einem Raum insgesamt 88 Objekte aus Ost und West, sortiert nach sieben Themengebieten. Neben „Klassikern“ des Designs wie Nich Roerichts TC 100-Hotelgeschirr oder Mart Stams Werkstattstuhl werden viele weitere Gegenstände zur Schau gestellt, die mitunter weniger bekannt sind. Alle Objekte verbindet, dass sie – so die Kurator_innen – den Alltag eines Konsumenten prägten.

Blick auf die Sektion der Tisch- und Hängelampen, Photo von Yves Vincent Grossmann

Bei der Aufstellung der jeweiligen Gegenstände fällt auf, wie wenig sich die gefundenen Designlösungen aus Ost und West teilweise unterscheiden. Welche Kaffeemühle, Tischleuchte oder Schreibmaschine mit oder ohne „Made in West-Germany“ produziert wurde, lässt sich heute auf den ersten Blick kaum noch zielsicher sagen. Es gelingt den Ausstellungsmachern dadurch bei vielen Alltagsgegenständen zu zeigen, wie vergleichbar das Design aus DDR und BRD teilweise war. Wenn man sich dabei die Aussage von Martin Kelm in Erinnerung ruft, dass es nur ein „Design im Sozialismus“ und kein „sozialistisches Design“ gäbe, dann lässt sich diesbezüglich in der Sammlungspräsentation dazu wenig finden. Vielmehr bekommt der Betrachter den Eindruck vermittelt, es gäbe nur „ein“ deutsches Design – unabhängig von dem jeweiligen Wirtschaftssystem. Selbstverständlich ist dies nicht das Ziel der Kurator_innen aus Nürnberg und München.

Blick auf die Sektion der Küchenobjekte, Photo von Yves Vincent Grossmann

Die Ausstellung im NMN ist vielmehr ein interessanter Beitrag zur Frage, welche Gemeinsamkeiten und Divergenzen im Design von Ost und West erkennbar sind. Wurden während dem Systemkonflikt eher die Unterschiede betont, so werden seit den 2000er Jahren häufig die einigenden Elemente hervorgehoben. Es besteht bei dieser Darstellung rasch die Gefahr, Verbindendes oder Unterscheidendes zu stark zu betonen. Die Ausstellung in Nürnberg positioniert sich interessanterweise dahingehend, dass sie Gemeinsamkeiten stärker betont. Ob sich diese Deutung verallgemeinern lässt, müssen weitere Studien zur deutsch-deutschen Designgeschichte zeigen.

[1] Internetseite zur Sammlungspräsentation: http://www.nmn.de/de/sammlung/aktuell-in-der-sammlung/east-and-west-ddr-brd.htm.
[2] Wandtafel zur Ausstellung.

Visions of Sustainability in Design History

Gary Anderson and his original design of the recycling logo, by Gary Anderson, CC BY-SA 3.0

The term „sustainability“ has become increasingly importance in many social debates. Current design history research looks at the aspect of „sustainability“ as well. In mid-June this year, a workshop entitled „Environmental Histories of Design“  was organized by the Norwegian Professor Kjetil Fallan (University of Oslo) along with Finn Arne Jørgensen (Umeå University) at the Rachel Carson Centre at the Ludwig Maximilian University in Munich. A Norwegian research group has been working on aspects of sustainability in design history since 2014. The team, led by Kjetil Fallan, runs its own research blog: www.backtothesustainablefuture.net.

The aim of the workshop in Munich was to discuss previously disregarded historical ties of design and sustainability. The contributions can be grouped into two different approaches. Arguments were either object or discourse-oriented, while both approaches have their advantages. More relevant is what questions are being asked. I methodically pursued a discourse analysis approach, thus it was very exciting for me to see how international colleges work with discourse analyses on design topics. I will briefly introduce three examples and bring in some thought of mine.

The debates in West Germany about design and obsolescence were explored by the Wuppertal Professor Heike Weber. The aspect of a planned life cycle of objects is currently discussed controversially. From a design historical perspective, we know relatively little about this topic. Weber argued, rightly so, that the life cycles of consumer items in the 20th century must not have necessarily reduced. This simplistic story must be questioned critically. The importance of the designer can certainly provide information about the historical development in the field of obsolescence.

The Norwegian Ida Kamilla Lie (University of Oslo) presented first results of her PhD project (based on her master’s thesis), in which she dealt with Victor Papanek’s importance for Scandinavian design discourses. Papanek was active, from 1966 to 1970, in the Scandinavian Design Students Organization (SDO). Particularly important was the question of the social responsibility of designers to society. Lie pointed out,that Papanek played a key role for the former generation of buddying designers. At the same time, this example is a profound analysis of how design discourses were already globalised in the 1960s and 1970s and then rapidly and widely adopted.

Diagram_Tags_Umwelt

But what did the relationship of environmentalism and design mean in relation to the Federal Republic of Germany? I will try to discuss this shortly on the basis of published articles about environment and industrial design. The following graph shows the time distribution of published debate contributions, such as books, newspaper or magazine articles, which deal with „Umwelt“. This visualization of my literature database illustrates that the concept of environment was addressed from the 1960s to the 1990s onwards. Striking is the rapid increase from 1970 to 1972. A likely explanation could be the publication of Victor Papanek „Design for the Real World – Human Ecology and Social Change“ from 1971, as well as the publications of the Institut für Umweltplanung at Ulm (the successor of the Hochschule für Gestaltung Ulm). Papaneks book introduced the term “international environment” to the design discourse and experienced a varied reception.

Another interesting feature of this statistical distribution are the major differences between the years 1973-1974 and 1975-1976. The strong increase from 1973 to 1974 could be interpreted by the effects of the first oil crisis. This was a relevant development, which also affected the work of industrial designers. However, this shows that the environment was discussed by Papanek’s initiative in the Federal Republic until 1972. In the year 1973 significantly fewer players were published on aspects of the environment. This discussion is related again to the context of the oil price crisis of 1974.

The difference from 1975 to 1976 seems plausible if one considers that at the international ICSID Congress in Moscow 1975, the newly established Working Group „Environment and Design“ presented its results. The results of the ICSID working group were followed by a lot of West German Design, but not discussed further during the year 1976. Gabriele Oropallo (University of Oslo) deals with this aspect in his doctoral thesis. He presented parts of his research results at the above-mentioned workshop at the Rachel Carson Centre. Oropallos research will problematise and analyse the ICSID group, headed by GDR designer Martin Kelm. Remarkably, the contemporary understanding of the term environmental “Umwelt” is not congruent with the current meaning. Nevertheless this shift in meaning is also a big challenge for all researchers‘ in the history of design.